Gericht Akten Zitierverbot
Das Zitieren aus Akten soll Journalisten nach dem Willen der ÖVP künftig verboten sein. Die Grünen sind dagegen, Medien kritisieren das Vorhaben scharf.
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Es ist ein steter Stachel im Fleisch der ÖVP: Dass Österreichs Medien aus den Chatprotokollen von Thomas Schmid zitierten, dem einstigen Generalsekretär im Finanzministerium, kurzzeitigen Öbag-Chef und Vertrauten von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, hat die ÖVP stets gestört. Aussprüche wie "Ich liebe meinen Kanzler!", "Du bist die Hure der Reichen ..." oder "Kriegst eh alles, was Du willst ..." (Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz an Schmid) zeigten insgesamt ein Bild des Umgangs von Mächtigen mit der öffentlichen Verwaltung, das die ÖVP in ein diffuses Licht stellte. Aus diesem Grund trat die ÖVP-Regierungsseite stets für ein Verbot des Zitierens aus Ermittlungsakten ein.

Weil im Koalitionsübereinkommen mit den Grünen noch ein größeres Justizpaket offen ist, wurde auf politischer Ebene rasch ein Junktim hergestellt: Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Reform, Medien künftig stärker an das Datenschutzrecht zu binden, wurde flugs von der ÖVP mit einem Verbot des Zitierens aus Ermittlungsakten junktimiert. Das soll nun nicht mehr gelten: Man sei zwar immer noch der festen Überzeugung, dass es dieses Zitierverbot für Journalisten brauche, heißt es aus türkisen Regierungskreisen. Doch es wäre fahrlässig, zu riskieren, dass Österreich ab 1. Juli dieses Jahres ohne eine gesetzliche Regelung zum Datenschutzrecht für Medien dastehe. Also kein Junktim mit dem Zitierverbot, das bestätigte am Dienstagabend auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in der ZiB2. Das ist neu, hört man doch aus grünen Regierungskreisen das genaue Gegenteil.

Kein Junktim mehr

Grundsätzlich wolle man freilich in der Sache weiterverhandeln, heißt es aus der ÖVP. Denn man wolle nicht, dass "Details aus nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahren, etwa aufgrund einer anonymen Anzeige", an die Öffentlichkeit gelangen und via Social Media breitgetreten werden. Laut einem ÖVP-Regierungsmitglied gehe es dabei freilich keineswegs um eine Knebelung von Medien in ihrer investigativen Arbeit, sondern, es gehe ausschließlich um drei Punkte: die Einhaltung der Beschuldigtenrechte; den Schutz dritter, möglicherweise unbeteiligter Personen; und die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz. Man wähnt sich mit diesen Anliegen im europäischen Mainstream. Besonderes Vorbild sei die Schweiz, die das Zitierverbot sehr umfassend auslege – und die auch ausdrücklich verankert habe, dass Medien zur Abwägung verpflichtet seien: Wenn etwa ein Beschuldigter oder dessen Anwalt den Strafakt an ein Medium weitergibt, müsse dieses prüfen, ob etwa noch andere am Strafverfahren Beteiligte unter einer Zitierung aus dem Akt leiden würden – und gegebenenfalls darauf verzichten.

Dass sowohl das bereits geltende Strafrecht als auch das Medienrecht die Rechte von Beschuldigten schon jetzt sehr streng regeln, dass es bereits hohe Strafen gibt, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich von Opfern, aber auch beschuldigten Personen verletzt wird, geht der ÖVP nicht weit genug. Man sehe hier Handlungsbedarf, heißt es immer wieder. Auch der Vorschlag der grünen Justizministerin, die Entschädigungszahlungen im Falle einer Verletzung von Opferschutz- und Beschuldigtenrechten empfindlich zu erhöhen, hat die Kanzlerpartei bisher nicht überzeugt.

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) sowie der Presseclub Concordia kritisieren das Vorhaben scharf: Dies verunmögliche künftigen Investigativjournalismus und gefährde die Pressefreiheit sowie das Recht der Öffentlichkeit auf Information massiv, heißt es – indem Journalisten mit dem Strafrecht bedroht würden. Immerhin scheint die ÖVP nun insofern einzulenken, als es das Junktim mit neuen Datenschutzvorgaben für Medien nun nicht mehr zu geben scheint.

Anfrageflut befürchtet

Hintergrund dieser heiklen Angelegenheit war ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH), an dem DER STANDARD beteiligt war. Bis dato sind Medien, wie berichtet, generell vom Datenschutzrecht ausgenommen. Das geht dem VfGH zu weit. Künftig müssen Medien im Einzelfall abwägen: Widerspricht die Verwendung von Daten den Rechten betroffener Personen? Oder überwiegt das Recht auf Pressefreiheit? In allen Medienhäusern ist die Sorge groß, dass dies zu einer unübersehbaren Flut an (berechtigten und nicht berechtigten) Anfragen führen würde, die im Redaktionsalltag kaum zu bewältigen wäre. Die Verhandlungen dazu stecken derzeit fest – nicht zuletzt deshalb, weil die ÖVP bisher regierungsintern offenbar auf einem Zitierverbot beharrte. (Petra Stuiber, 2.4.2024)