Marcel Sabitzer (Mitte) feiert mit Borussia Dortmund den Finaleinzug.
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Paris – Der Fußball hat immer wieder Erstaunliches zu bieten. Wer hätte im Vorfeld gedacht, dass Borussia Dortmund gegen Paris St. Germain bestehen und ins Finale der Champions League einziehen würde? Wer hätte gedacht, dass auch die in der Liga strauchelnden Bayern noch im Rennen liegen würden und auf den Einzug ins Endspiel hoffen dürfen? Und wer hätte gedacht, dass die als stärkste Liga des Planeten angepriesene Premier League nicht einmal einen Vertreter im Halbfinale stellen würde?

Mehr oder weniger mit dabei sind erstaunlicherweise auch noch drei Österreicher: Marcel Sabitzer, Konrad Laimer und David Alaba. Während der ÖFB-Teamkapitän aufgrund eines Kreuzbandrisses die Geschicke seines Vereins Real Madrid nur noch als Zuschauer verfolgen kann, könnte BVB-Legionär Sabitzer der sechste österreichische Kicker werden, der in der Königsklasse des Klub-Fußballs triumphiert. Oder auch Konrad Laimer. Dazu müssten seine Bayern aber zunächst einmal Real ausschalten. Im Endspiel am 1. Juni im Londoner Wembley-Stadion käme es dann zu einem Österreicher-Duell. Das hätte was, würde die Herzen der Aficionados hierzulande noch einmal höher schlagen lassen.

"Wir gehen nach Wembley"

Bestimmt noch mehr als am Dienstag nach dem Coup der Dortmunder. Ein Kopfballtor von Mats Hummels (50.) reichte, um nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel den Finaleinzug zu fixieren. "Wir haben einen Traum gehabt, und wir haben ihn wahrgemacht. Wir gehen nach Wembley. Davon träumst du", sagte Sabitzer gegenüber Sky. Für den 30-jährigen Mittelfeldspieler ist es das erste Champions-League-Finale seiner Karriere, 2020 war er noch mit Leipzig im Halbfinale an den Parisern gescheitert. "Das ist etwas Besonderes, Wembley noch dazu. Das ist wirklich ein perfekter Ort, um Geschichte zu schreiben. Ich kann es kaum erwarten", sagte Sabitzer.

"In der Kabine war die Hölle los, laute Musik und Alkohol", berichtete BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl nach dem 1:0 in Paris. Jungstar Youssoufa Moukoko gab auf seinem Instagram-Kanal Einblicke – zu sehen war, wie Ersatztorhüter Alexander Meyer in völliger Ekstase den Kabinentisch zur Wasserrutsche umfunktionierte und darüberschlitterte. Um ihn herum tobte eine wilde Siegesfeier, Jadon Sancho versuchte sich als DJ und tanzte wenig später zu den Klängen von Adele über den Tisch.

Während Emre Can im Freudentaumel deutlich wurde und die Kritiker des Teams bat, "jetzt auch mal die Schnauze" zu halten, ließ sich Kehl vom allgemeinen Trubel nur teilweise mitreißen und dachte schon an den Wunschgegner für das Endspiel in Wembley. "Die Bayern würden mir gefallen. Ich habe das Gefühl, wir haben noch eine Rechnung zu begleichen", sagte er mit Blick auf eine mögliche Revanche elf Jahre nach dem verlorenen Königsklassenfinale gegen den ewigen Rivalen.

Nach dem schier unfassbaren Aluminium-Glück des BVB hatte Kehl dabei noch einen Spezialwunsch: "Das Tor sollten wir abbauen und mit nach Dortmund nehmen", sagte er mit einem Augenzwinkern: "Vielleicht brauchen wir es in Wembley nochmal."

Für den BVB ist es das dritte Finale der Vereinsgeschichte, 1997 gewann die Borussia gegen Juventus Turin, 2013 setzte es gegen Bayern eine späte 1:2-Niederlage. Nun könnte es zum gleichen Aufeinandertreffen am selben Ort kommen. "Die Bayern würden mir gefallen, weil ich das Gefühl habe, da noch eine Rechnung offen zu haben. Vielleicht können wir die von 2013 ein Stück weit begleichen", sagte Sportdirektor Kehl.

Feuerwerkskörper und Autokorso

Eine Maßnahme, der sicher auch die Fans zustimmen würden. Sie versetzten Dortmund in der Nacht in Ausnahmezustand. Rund um den Borsigplatz herrschte Partystimmung. Die Anhänger zündeten Feuerwerkskörper und fuhren im Autokorso hupend durch die Stadt, fremde Menschen lagen sich knapp ein Jahr nach dem Meisterdrama des BVB glückselig in den Armen. "Heute konnten wir unseren Fans etwas zurückgeben", sagte Terzic in Paris.

In Paris ist aber auch eine "Flamme erloschen", wie die französische Sportzeitung L'Equipe schrieb. Sechsmal Pfosten und Latte, 31 Schüsse aufs Dortmunder Tor – und doch kein Treffer in 180 Minuten. Trainer Luis Enrique hatte Mühe, das Aus von PSG zu erklären, gab sich nach dem Aus gegen Dortmund aber als fairer Verlierer: "Der Fußball war in diesem Match nicht fair zu uns. Wir müssen das akzeptieren, der Mannschaft, die das Finale erreicht hat, gratulieren, trauern und die Enttäuschung verarbeiten."

"So ist das Leben"

Unterlegen sei seine Mannschaft bei den beiden 0:1-Niederlagen nicht gewesen. "Aber so ist das Leben, so ist der Sport. Es ist wirklich wichtig, dass man weiß, wie man gewinnt, aber auch, wie man verliert", sagte der Spanier: "Ich bin als Coach der Erste, der verantwortlich für die Niederlage ist, aber ich bin glücklich mit der Einstellung und dem Verhalten der Spieler."

Tief enttäuscht war auch Kylian Mbappe, nicht zuletzt von sich selbst. Der Superstar, der nach der Saison Paris verlässt und sich seinen Traum vom Champions-League-Titel in der Heimat nicht erfüllen konnte, sagte: "Ich bin derjenige, der treffen muss."

Auch heute muss zumindest einer treffen. Nach dem 2:2 im Halbfinal-Hinspiel zwischen den Bayern und Real Madrid ist vor dem Duell im Estadio Santiago Bernabeu noch alles offen. Die Spanier treten als frischgebackener Meister an und wollen die Deutschen zum vierten Mal in Folge in der Königsklasse aus dem Bewerb werfen. Die Bayern und Laimer wollen das verhindern.

Hasil, Schilcher, Arnautovic, Feiersinger, Alaba

Franz Hasil war übrigens der erste Österreicher, der im Meistercup, dem Vorgängerbewerb der Champions League, erfolgreich war. Der Spielmacher gewann 1970 mit Feyenoord Rotterdam das Endspiel in Mailand gegen Celtic Glasgow mit 2:1 nach Verlängerung. 1972 folgte ihm Heinz Schilcher nach, der beim 2:0-Finalsieg von Ajax Amsterdam gegen Inter Mailand allerdings nicht im Kader der Niederländer stand.

Dasselbe Schicksal ereilte Wolfgang Feiersinger, der 1996/97 mit starken Leistungen Anteil am Champions-League-Finaleinzug von Borussia Dortmund hatte, für das Endspiel gegen Juventus Turin in München (3:1) aber nicht nominiert wurde. Champions-League-Sieger ist auch Marko Arnautovic, der in der Saison 2009/10 beim Triumphzug von Inter Mailand allerdings nur zweimal im Kader stand und ohne Einsatz blieb. Inter holte den Titel mit einem 2:0 gegen die Bayern in Madrid.

Erfolgreichster Österreicher im Klubfußball ist Alaba. Der ÖFB-Teamkapitän gewann bereits dreimal die Champions League und spielte in allen drei Finali durch. Zweimal siegte Alaba mit Bayern München (2013 mit 2:1 gegen Borussia Dortmund in London und 2020 mit 1:0 gegen Paris Saint-Germain in Lissabon) und einmal mit Real Madrid (2022 mit 1:0 gegen Liverpool in Paris, Saint-Denis). (Thomas Hirner, APA, sid, 8.5.2024)