Von einer Ärztin behandelt zu werden ist mit Vorteilen verbunden – vor allem für Frauen.
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Wenn Menschen krank sind, gehen sie immer noch gern "zum Arzt". Das Bild der väterlichen Vertrauensperson ist in unseren Köpfen und in der heimischen Fernsehlandschaft fest verankert, rational wird 2024 kaum jemand Frauen für schlechtere Ärzte halten als Männer.

Doch nun zeigt eine neue Studie aus den USA, die soeben im Fachjournal "Annals of Internal Medicine" erschien, dass es tatsächlich Qualitätsunterschiede zwischen Ärztinnen und Ärzten zu geben scheint. Eine Analyse der Krankenversicherungsakten von etwa 458.100 Patientinnen und 319.800 Patienten aus den Jahren 2016 bis 2019 ergab, dass Menschen, die von Ärztinnen behandelt wurden, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hatten und weniger oft ins Krankenhaus wiederaufgenommen werden mussten. Um die Vergleichbarkeit der Daten sicherzustellen, konzentrierte man sich auf Personen, die wegen akuter Gesundheitsprobleme ins Krankenhaus kamen. Die Menschen suchten sich also nicht aus, wer sie behandelte.

Der Unterschied in der Sterblichkeit ist auf den ersten Blick nicht besonders groß; er liegt im Bereich einiger Zehntelprozent. Die Sterblichkeit von (männlichen) Patienten lag bei der Behandlung durch Ärztinnen bei 10,15 Prozent, während die Sterblichkeit bei Behandlung durch (männliche) Ärzten 10,23 Prozent betrug. Bei Patientinnen war der Unterschied noch größer: Deren Sterblichkeit machte bei männlichen Ärzten 8,38 Prozent aus, bei weiblichen hingegen nur 8,15 Prozent. Das ist laut den Forschenden ein klinisch signifikanter Unterschied.

Unterschiedliche Ausübung

Eigentlich sollte es keine Geschlechtsunterschiede bei Ärztinnen und Ärzten geben, wenn beide medizinische Erkenntnisse auf dieselbe Weise anwenden, sagt Studienautor Yusuke Tsugawa von der David Geffen School of Medicine der University of California in Los Angeles. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass weibliche und männliche Ärzte die Medizin unterschiedlich ausüben, und diese Unterschiede haben einen bedeutenden Einfluss auf die Behandlungsergebnisse der Patienten", sagt Tsugawa.

Die Forschenden geben verschiedene mögliche Erklärungen für den Effekt an. So könnten Ärzte (hier sind Ärztinnen nicht mitgemeint) möglicherweise die Schwere der Erkrankungen von Frauen unterschätzen. In früheren Studien hatte sich gezeigt, dass Ärzte Schmerzen, Herz-Kreislauf-Symptome und Schlaganfallrisiko bei Patientinnen tendenziell unterbewerten. All das kann sich in schlechterer Behandlung niederschlagen.

Andererseits können Ärztinnen besser mit Patientinnen kommunizieren. Auch dieser Effekt ist aus früheren Studien bekannt. Ärztinnen könnten so verlässlicher an wichtige Informationen für die richtige, lebensrettende Diagnose gelangen.

"Weitere Forschungen über die zugrunde liegenden Mechanismen, die das Geschlecht des Arztes mit den Ergebnissen für die Patienten verbinden, und darüber, warum der Nutzen der Behandlung durch weibliche Ärzte für weibliche Patienten größer ist, haben das Potenzial, die Ergebnisse für alle Patienten zu verbessern", sagt Tsugawa.

Ein Arzt in Los Angeles untersucht eine Frau mit ihrem Kind. Ärzte scheinen den Gesundheitszustand von Frauen weniger verlässlich einschätzen zu können als Ärztinnen.
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Situation in Europa

Auch wenn die neue Studie die USA betrifft, die genannten Probleme sind nicht auf die USA beschränkt. Tatsächlich gibt es auch hierzulande Unterschiede in der Behandlung von Männern und Frauen. "Es ist eine komplexe Querschnittsmaterie, die sich durch alle Bereiche zieht. Für Frauen ergeben sich dadurch viele kleine Nachteile, die sich summieren und in einer schlechteren Behandlung resultieren", sagte dazu etwa die Internistin Alexandra Kautzky-Willer.

Tsugawa kritisiert außerdem die nach wie vor ungleiche Bezahlung von Ärztinnen und Ärzten. Am Beispiel der USA durchgerechnet, verdienen Ärztinnen während einer vierzigjährigen Karriere zwei Millionen Dollar weniger als Ärzte, wie eine Studie im Fachjournal "Health Affairs" im Jahr 2021 aufzeigte. In Österreich verdienten Allgemeinmedizinerinnen und Fachärztinnen laut dem Allgemeinen Einkommensbericht des Rechnungshofs 2022 im Mittel um die Hälfte weniger als ihre männlichen Kollegen.

"Es ist wichtig festzustellen, dass Ärztinnen eine qualitativ hochwertige Versorgung bieten, und daher ist es aus gesellschaftlicher Sicht von Vorteil für die Patienten, wenn es mehr Ärztinnen gibt", sagt Tsugawa. In den USA ist der Anteil an Ärztinnen gegenüber Ärzten geringer, steigt aber jedes Jahr um etwa ein Prozent, 2019 lag er bei 36 Prozent. In Österreich zeigt die Zählung der Ärztekammer beim Verhältnis von jungen Ärztinnen und Ärzten inzwischen ein ausgewogenes Bild. Nur bei der Bezahlung hapert es noch. (Reinhard Kleindl, 23.4.2024)