Das Burgenland versucht sich auf Flüchtlinge vorzubereiten, wie hier im österreichisch-ungarischen Polizeikooperationszentrum in Nickelsdorf. Nicht nur mit polizeilichen Maßnahmen, sondern auch in der Betreuung der Menschen, wenn auch in Zukunft etwas weniger.
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Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat im Interview mit dem STANDARD eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Österreich gefordert und sich dabei an den Bund, aber auch an die Bundesländer gewandt. Derzeit erfüllt Wien als einziges Bundesland die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Quote zur Aufteilung der Flüchtlinge. Wien erfüllt sie sogar über – und zwar fast zu 200 Prozent. Alle anderen Bundesländer liegen darunter, manche nur knapp, andere recht deutlich, wie etwa das ebenfalls rote Kärnten, welches das Schlusslicht in der Betreuung von Asylwerbenden und Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine ist.

Im Burgenland reagiert man jetzt auf die Forderung von Ludwig – und droht damit, noch weniger Flüchtlinge aufzunehmen als bisher. Das sei nicht gegen Wien gerichtet, versichert Roland Fürst, Klubobmann der SPÖ im Burgenland, damit wolle man mehr Druck auf den Bund ausüben, weniger Flüchtlinge aufzunehmen und eine Obergrenze einzuführen. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat eine Obergrenze von 10.000 Flüchtlingen im Jahr gefordert, deren Asylanträge man überhaupt annehme. Dem konnte und wollte sich allerdings auch die eigene Bundespartei nicht anschließen. SPÖ-Chef Andreas Babler hat sich gegen eine gesetzlich festgelegte Obergrenze ausgesprochen.

Eigener Schlüssel

Um diese Forderung zu untermauern, könnte das Burgenland jetzt selbst für sich eine Quote einführen, bekräftigt Fürst im Gespräch mit dem STANDARD. Statt der bisher 800 Menschen, die man über das Jahr in der Grundversorgung betreue, würde man dann nur mehr 340 Menschen pro Jahr aufnehmen, das entspreche in etwa jenem Schlüssel für das Land, wenn 10.000 bundesweit die Obergrenze wäre.

Eine Obergrenze lehnt allerdings auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ab, das sei rechtlich nicht umsetzbar. In den Monaten Jänner bis März haben in Österreich 6.922 Menschen in Österreich um Asyl angesucht, allein im März waren es nach inoffiziellen Angaben 2.452 Anträge. Rechnet man diese Zahlen auf das gesamte Jahr hoch, wären das etwa 30.000 Asylanträge, auf die sich Österreich einstellen müsste – dreimal so viel, wie die SPÖ Burgenland als Obergrenze fordert.

Mehr Familienzusammenführungen

Von diesen knapp 7.000 Anträgen im heurigen Jahr resultieren knapp die Hälfte aus Familienverfahren. Das sind Anträge, die im Laufe einer Familienzusammenführung gestellt werden. Eines dieser Familienmitglieder hat in Österreich also bereits Asyl erhalten. Dieser Anteil ist wesentlich höher als in den Jahren zuvor. Zum Vergleich: Im Vorjahr gab es zum gleichen Zeitpunkt 10.167 Anträge insgesamt, nur 1.525 waren damals Fälle von Familienzusammenführung.

Massiv zurückgegangen ist heuer die Zahl der originären Anträge, die also aufgrund von irregulärer Einreise erfolgt sind: Das waren 2023 bis Ende März 7.200, heuer sind es etwa 2.500.

Kein schlechtes Gewissen

Das Burgenland will seine Androhung, die Zahl der betreuten Flüchtlinge drastisch zu reduzieren, nicht als Manöver gegen Wien verstanden wissen, versichert Klubobmann Fürst. Man wolle damit das Versagen der Bundesregierung aufzeigen, die Verantwortung für die – aus burgenländischer Sicht – Flüchtlingsmisere trügen das ÖVP-geführte Innenministerium und das Kanzleramt. Die Drohung, die Bund-Länder-Vereinbarung zur Verteilung der Flüchtlinge aufzukündigen, sei eine klare Botschaft an die ÖVP-geführte Regierung, die den Druck nicht auf die Länder abwälzen dürfe. Fürst: "Das Burgenland hat jahrelang die Quote erfüllt. Wir haben überhaupt kein schlechtes Gewissen, jetzt diesen Schritt zu setzen."

Die ÖVP habe jahrelang nichts zusammengebracht, nun sei es Zeit, konkrete Schritte zu setzen. "Leider rächt sich jetzt, dass dieses Thema von den politisch Hauptverantwortlichen in der Bundesregierung beschönigt und ignoriert wurde. In Wirklichkeit ist die Republik nicht mehr Herr der Lage und hat die Steuerung auch aufgrund der Beschönigungspolitik der Bundesregierung verloren", behauptet Fürst. (Michael Völker, 19.4.2024)