Ein Unternehmen, das seine Software einerseits anderen Herstellern anbietet, andererseits aber auch eigene Hardware baut: Der Spagat, den Google bisher rund um Android und Pixel-Geräte machte, sorgte immer wieder für Irritationen. Die Antwort auf jegliche Kritik war dabei seit Jahren die immer gleiche: Es gebe eine fixe "Firewall" zwischen den Android- und den Pixel-Teams, die eigene Hardwareabteilung werde in keiner Weise bevorzugt. Eine Behauptung, die in den vergangenen Jahren mit der unübersehbar stärker werdenden Integration von Hard- und Software zunehmend in Zweifel geriet und die wohl nun ihr endgültiges Ende findet.

Alles unter einem Dach

Google baut groß um, und das heißt vor allem eines: Unter der Leitung des bisherigen Hardwarechefs Rick Osterloh wird eine gemeinsame "Plattformen und Geräte"-Abteilung geschaffen. Neben der Entwicklung neuer Pixel-Devices ist diese künftig auch für Android, den Browser Chrome, das Betriebssystem ChromeOS sowie für Google Photos zuständig. Das kündigt Firmenchef Sundar Pichai in einem Blogposting des Unternehmens an.

Rick Osterloh bekommt deutlich mehr Verantwortung bei Google.
AFP/ED JONES

Der Grund dafür ist ein recht simpler und in diesen Tagen wenig überraschender: Künstliche Intelligenz. Google will all diese Teams unter eine gemeinsame Leitung stellen, um die Wege kürzer zu machen und die Integration neuer KI-Entwicklung in die eigenen Geräte zu beschleunigen. So ist etwa für KI am Smartphone die enge Zusammenarbeit der Chipentwicklung mit dem Android-Team unerlässlich. Google Photos ist wiederum stark mit der Pixel-Kamera verbunden, eine wachsende Zahl an KI-Bildfeatures entsteht in der Kombination aus beidem – und natürlich immer mit der Chipentwicklung im Hintergrund.

Passend dazu wandert auch ein Teil von Googles Forschungsabteilung in die neu geschaffene Abteilung. Konkret handelt es sich dabei um jene Gruppe, die sich mit "Computational Photography" beschäftigt. Unter diesem Namen versteht man die Verbesserung von Kameraaufnahmen mit allerlei algorithmischen Tricks, die die die aktuelle Qualität von Smartphone-Bildern überhaupt erst möglich machen. Osterloh betont denn auch, dass es für optimale Ergebnisse tiefgreifende Kenntnisse in unterschiedlichen Bereichen braucht – von den Sensoren über den Bildverarbeitungsprozessor bis zur Kamerasoftware und Maschinenlernmodellen.

Die andere Seite

Abzuwarten bleibt, wie das bei den langjährigen Partnern aus dem Android-Bereich ankommt. Dass in dem Blogposting von Pichai mehrfach die Wichtigkeit der Kooperation mit Firmen wie Samsung und Qualcomm betont wird, soll wohl ein beruhigendes Signal aussenden. Tatsächlich ist Google trotz des immer stärker werdenden Fokus auf Pixel-Geräte zuletzt auch eine vertiefte Partnerschaft mit Samsung eingegangen – gerade beim Thema KI.

Pixel 8 (Pro)
Eigene Hardware wie das Pixel 8 Pro steht bei Google immer stärker im Vordergrund.
Proschofsky / STANDARD

Auf gewisse Weise ist der aktuelle Umbau nur die logische Konsequenz einer sich schon länger abzeichnenden Entwicklung. Gerade seitdem Google eigene Chips herstellt, wurde die Kooperation zwischen Hardware-, Software- und KI-Abteilungen immer stärker intensiviert. Die alte "Firewall" in der oft von Google betonten Form hat es also ohnehin schon nicht mehr gegeben.

Rund um Android hat das auch einen personellen Wechsel zur Folge: Der bisherige Android-Boss Hiroshi Lockheimer wird sich künftig anderen Aufgaben bei Google widmen, welche das sein werden, wird noch nicht verraten. Allerdings betonen Osterloh und Lockheimer, dass es sich dabei um eine freundliche Entscheidung handle, genau genommen habe man zuvor zwei Jahre lang gemeinsam bei Firmenchef Pichai für die nun vollzogene Reorganisation geworben.

Alles KI

All das ist ein Teil von größeren Umbrüchen bei Google. Unter den Vorzeichen von KI will sich das Unternehmen derzeit neu aufstellen, verstärkt neue Einnahmequellen suchen und auch stärker auf Abodienste statt Werbung setzen – wohl auch mit der Befürchtung, dass letzteres Geschäft nicht immer so weitergehen wird. Unter diesem Aspekt ließe sich die Neuorganisation auch anders umreißen, wie es "The Verge" trefflich tut. Nämlich dass es nun eine Abteilung gibt, die KI-Forschung macht, und eine, die KI-Produkte herstellt.

Apropos: Bei der KI-Forschung gibt es ebenfalls weitere Umbauten. Die bereits vor einem Jahr begonnene Zusammenführung von Googles zwei großen KI-Abteilungen, Google Brain und Deepmind, findet ihre logische Fortsetzung. So sollen auch noch die Teams, die bei Google Research an der Entwicklung von KI-Modellen arbeiten, unter das Dach von Google Deepmind genommen werden. (Andreas Proschofsky, 19.4.2024)