Robert F. Kennedy Jr., ein Nachkomme einer der berühmtesten politischen Dynastien Amerikas, kandidiert derzeit als Präsident der USA. Anders jedoch als seine verstorbenen Onkel – Präsident John F. Kennedy und Senator Ted Kennedy – oder sein Vater Senator Robert F. Kennedy – der während seines eigenen Präsidentschaftswahlkampfs ermordet wurde –kandidiert RFK Jr. nicht für die Demokraten, sondern als Vorsitzender einer neu gegründeten Partei namens We the People. Damit entfaltet sich das jüngste Kapitel in der bizarren und zunehmend gefährlichen Deformation der zeitgenössischen US-amerikanischen Politik.

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Träumt davon, US-Präsident zu werden: Robert F. Kennedy Jr.
Foto: Getty Images North America / Justin Sullivan

Viele politische Kommentatoren haben Kennedy heftig dafür kritisiert, dass seine "Spoiler-Kampagne" Präsident Joe Biden die Stimmen unzufriedener Demokratinnen und Demokraten kosten und Donald Trump den Einzug ins Weiße Haus bescheren könnte. Laut einer Meinungsumfrage des Siena College sieht es aus, als würden in sechs hartumkämpften Staaten – Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin – mehr Demokraten als Republikaner (18 Prozent gegenüber 16 Prozent) Kennedy unterstützen. Kein Wunder also, dass der milliardenschwere republikanische Großspender Timothy Mellon Kennedys Super-PAC, eine vordergründig unabhängige Organisation, die legal unbegrenzte Summen für einen Kandidaten sammeln und ausgeben kann, finanziell unterstützt.

"Kennedys Fokus auf die Gesundheit spiegelt seine öffentliche Arbeit als Umweltanwalt und, in den letzten Jahren, als überzeugter Impfgegner wider."

Die von Kennedy ausgewählte Vizepräsidentschaftskandidatin Nicole Shanahan, eine 38-jährige Patentanwältin und frühere Unterstützerin demokratischer Anliegen, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Kennedy demokratische Wählerinnen und Wähler anzusprechen sucht. Shanahan bezeichnet sich selbst als enttäuschte Demokratin und hat andere Gleichgesinnte öffentlich aufgefordert, sich Kennedys Kampagne anzuschließen. Im Rahmen ihrer Scheidungsvereinbarung mit Google-Mitgründer Sergey Brin forderte sie angeblich mehr als eine Milliarde US-Dollar. Diese Summe würde sie in eine ungewöhnlich günstige Lage bringen, das komplexe und teure Unterfangen unterstützen zu können, Kennedy in allen 50 US-Bundesstaaten auf den Stimmzettel zu bringen.

Eines ist ungeachtet aller durch Kennedys Kandidatur verursachten Unsicherheiten klar: Der Populismus von links und rechts ist in beiden Parteien auf dem Vormarsch. Trump und Kennedy sprechen beide klassische populistische Themen an, allerdings mit einigen interessanten Unterschieden. Trumps düsteres Narrativ des US-amerikanischen Niedergangs umfasst "verrostete, wie Grabsteine verstreute Fabriken" und "verwahrloste und verfallene" Infrastruktur; das "Vermögen unserer Mittelschicht" sei "aus ihren Häusern gerissen und über die ganze Welt verstreut" worden, wobei "Millionen und Abermillionen amerikanischer Arbeitnehmer abgehängt worden" seien. Während es den Eliten in Washington gut gehe, "hat die Bevölkerung die Kosten getragen". Trump verspricht, diesen Niedergang rückgängig zu machen, indem er "Amerika an die erste Stelle setzt".

"Kranke" USA

Auch Kennedy sieht eine verheerte Landschaft. Doch sein Narrativ legt den Schwerpunkt auf "chronische Krankheit", "Depression", "psychische Erkrankungen" und "Einsamkeit". Wie Trump beklagt er die verfallene Infrastruktur und eine "ausgehöhlte" Mittelschicht. Und wie Trump gibt er hierfür den Eliten die Schuld: "Die gesamte Wertschöpfung der letzten Generation ist an die Milliardäre und transnationalen Konzerne geflossen." Doch aus Kennedys Sicht ist das größte Problem von allen, dass die USA "das kränkste Land der Erde" geworden seien. Sein Versprechen besteht darin, "Amerika wieder gesund zu machen".

Kennedys Fokus auf die Gesundheit spiegelt seine öffentliche Arbeit als Umweltanwalt und, in den letzten Jahren, als überzeugter Impfgegner wider. Aus seiner Sicht ist eine Kabale von böswilligen Konzernen und Behördenvertretern im Gange, die sich verschworen haben, um Umwelt und Staatswesen zu vergiften – einen Körper nach dem anderen. Auf dem Höhepunkt der Pandemie behauptete er fälschlich, dass die Covid-19-Impfstoffe "nachweislich eine negative Wirkung haben und die Menschen infektionsanfälliger machen, als wenn man gar nichts tut". Er ging angeblich sogar so weit zu behaupten, Covid-19 sei "ethnisch ausgerichtet", um "aschkenasische Juden und Chinesen" zu verschonen.

QAnon-artige Paranoia

Wie Kennedy scheint auch Shanahan persönliches Leid zu kanalisieren. Sie beschreibt ihren Kampf mit der Unfruchtbarkeit sowie ihre Schwierigkeiten damit, ihre unter Autismus leidende fünfjährige Tochter Echo großzuziehen. Sie ist trotz zahlreicher wissenschaftlicher Studien, die dies widerlegen, fest überzeugt, dass das Impfen von Kindern einen steilen Anstieg in der Zahl der Autismusfälle verursacht hat. Sie möchte die Pharmaunternehmen davon abhalten, die Wissenschaft zu "kontaminieren" und die Regulierungsbehörden zu "vereinnahmen", und fordert mit QAnon-artiger Paranoia, dass diese aufhören sollten, die "Rätsel" zu "schützen", die "wir lösen können".

Niemand glaubt ernsthaft, dass Kennedy die Präsidentschaftswahl gewinnen kann. Doch es gibt gute Gründe für die Annahme, dass er das Gleichgewicht zugunsten von Trump verschieben kann, indem er Demokraten einschließlich jüngerer Wählerinnen und Wähler, einige Parteiungebundene, Libertäre sowie Anhängerinnen und Anhänger von New-Age-Heilmethoden und alternde Idealisten, die noch immer von seinem Vater und seinen Onkeln inspiriert sind, auf seine Seite zieht.

Bewaffnet mit paranoiden Verschwörungstheorien verbreitet Kennedy bedenkenlos Lügen über die angeblichen Gefahren lebensrettender Impfstoffe und gibt Plattitüden über Resilienz und Genesung von sich. Allem Anschein nach bleibt er der verqueren Vorstellung verhaftet, er könne die idealistischen Träume seines Vaters von einem besseren Amerika Wirklichkeit werden lassen. Das wahrscheinlichere Ergebnis ist ein wahrgewordener Albtraum: ein illiberales Amerika unter einem Präsidenten, den Kennedys Vorfahren als gefährlichsten inneren Feind des Landes betrachten würden. (Richard K. Sherwin, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 13.4.2024)

Richard K. Sherwin ist Professor emeritus für Rechtswissenschaft an der New York Law School und Mitherausgeber von A Cultural History of Law in the Modern Age (Bloomsbury, 2021).