Eine Katze auf einem Leintuch blickt nach oben, neben ihr ein feuchter Fleck.
Hat sich eine Katze nur erleichtert, ist der Schaden moderat. Ein bewusstes Markieren mit Urin sorgt hingegen für viel stärkere Geruchsbelastung.
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Die Kommunikation von Katzen ist vielfältig und gibt uns nach wie vor Rätsel auf. Teils bedienen sich die Tiere einer lange Zeit unterschätzten Mimik mit einer Vielzahl von Gesichtsausdrücken, die der Wissenschaft erst seit kurzem bekannt sind. Besonders eindrücklich äußern sie sich allerdings über Gerüche.

Das Mittel für diese Botschaft ist der feline Urin. Er wird dabei nicht einfach nur abgelassen, sondern aktiv auf senkrechte Flächen gesprüht. Dabei entfaltet sich ein Aroma, das in geschlossenen Räumen schnell zu deren Unbewohnbarkeit führen kann.

Der Geruchsunterschied zwischen verschiedenen Formen des Urinierens ist dabei so groß, dass bisher vermutet wurde, beim Urinieren zu Kommunikationszwecken müssten andere Chemikalien aus Drüsen im Analbereich mit im Spiel sein.

Chemische Ähnlichkeit

Um diesen Geruchsstoffen auf die Spur zu kommen, untersuchte ein Forschungsteam aus Japan die Zusammensetzung des Katzenurins. Die Ergebnisse wurden nun im Fachblatt "Journal of Chemical Ecology" publiziert.

Studienleiter Masao Miyazaki von der japanischen Iwate-Universität und seine Gruppe verglichen zu diesem Zweck die chemische Zusammensetzung versprühten, normalen und direkt aus der Blase von Katzen stammenden Urins, der mithilfe von Kathetern gewonnen worden war. Die Analyse ergab jedoch keine wesentlichen Unterschiede. Zudem zeigten Verhaltenstests mit Katzen, dass diese selbst die Zusammensetzung nicht unterscheiden konnten. Was sie sehr wohl bemerkten, war, ob der Urin von ihnen oder von einer fremden Katze stammte.

Die Forschenden schlossen daraus, dass es doch keine relevanten chemischen Beiträge aus dem Analbereich geben dürfte. Doch warum riecht versprühter Katzenurin dann übler als vergossener?

Ein Kätzchen in einer Wanne mit Streu.
Katzenstreu bindet den Geruch von Katzenurin. Bei Reviermarkierungen kommt derselbe Urin zum Einsatz.
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Verringerte Oberflächenspannung

Eine Zufallsbeobachtung führte das Team auf die richtige Spur. Beim Transport von Katzenurin in Kunststoffbehältern ist aufgefallen, dass die Flüssigkeit dort sehr gut haftete. "Diese Beobachtung hat uns dazu veranlasst, die zugrunde liegenden Mechanismen zu erforschen", sagt Reiko Uenoyama, die Erstautorin der Studie.

"Im Allgemeinen nimmt die Fähigkeit einer Flüssigkeit, eine Oberfläche zu benetzen, zu, wenn die Oberflächenspannung abnimmt", erklärt Uenoyama. Welche chemischen Verbindungen für eine Verringerung der Oberflächenspannung verantwortlich sein könnten, zeigte eine bereits ältere Arbeit von Uenoyamas Kollegen Miyazaki. Darin hatte er entdeckt, dass gesunde Katzen große Mengen eines Proteins namens Cauxin produzieren, das wiederum die Produktion schwefelhaltiger Geruchsstoffe antreibt. Diese Stoffe machen den spezifischen Geruch von Katzenurin aus.

Die Konzentration dieses Stoffs ist so hoch, dass er sich auf die Oberflächenspannung auswirken könnte, so die Vermutung des Teams. Um diese Hypothese zu überprüfen, stellte man Flüssigkeiten mit verschieden hohen Konzentrationen von Cauxin her. Als Vergleich dienten Flüssigkeiten mit dem auch im Blut von Säugetieren vorhandenen Protein Albumin.

Erklärung für übleren Geruch

Tatsächlich war die Oberflächenspannung jener Flüssigkeiten, die größere Mengen Proteine beinhalteten, geringer. Das wirkte sich auf verbesserte Haftung auf senkrechten Glasflächen aus.

Darin lag offenbar die Erklärung für den stärkeren Geruch von versprühtem Urin: Indem er beim Versprühen Flächen stark benetzt, wird seine Oberfläche überproportional vergrößert. Über diese Oberfläche können die übelriechenden Substanzen leicht an die Luft abgegeben werden.

Finaler Test in Versuchsgarten

Um ganz sicherzugehen, unternahmen Miyazaki und seine Kolleginnen und Kollegen einen weiteren Versuch. Sie bauten einen miniaturisierten "Garten" und platzierten darin einen mit Kater-Urin besprühten Block. In einem zweiten künstlichen Garten wurde Urin aus derselben Quelle direkt auf den sandigen Boden gegossen und dann bedeckt.

Der Vergleich bestätigte, dass derselbe Urin je nach Situation einen völlig unterschiedlichen Geruch entwickeln kann. "Die Flüssigkeitströpfchen des versprühten Urins können leicht auf der Oberfläche des Blocks trocknen, was zu einer schnelleren Freisetzung flüchtiger Chemikalien aus der Duftmarke führt als bei normalem Urin", betont Miyazaki.

Des Rätsels Lösung liegt also nicht in einer veränderten Zusammensetzung des von Katzen zu Kommunikationszwecken versprühten Urins, sondern an der großen Oberfläche, die der versprühte Katzenurin dank des Cauxin auf den markierten Flächen einnimmt. (Reinhard Kleindl, 11.4.2024)