Im Südlichen Ozean rund um die Antarktis schwimmt weit mehr Plastikmüll, als man bisher angenommen hatte. Ein Großteil der Kunststoffpartikel ist so klein, dass bisherige Studien sie nicht erfasst hatten, wie Basler Forschende in einer neuen Studie zeigten. Denn für bisherige Untersuchungen sei das Plastik mit einem Netz aus dem Meer gefischt worden, das für kleinere Teilchen nicht engmaschig genug war.

Es war zwar nicht die erste Untersuchung des Mikroplastiks in der Antarktis, die Forschende der Universität Basel und des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) durchführten, aber die Auswertung der Daten einer Expedition vom Frühjahr 2021 brachte dennoch eine unangenehme Überraschung ans Licht. Die insgesamt 17 Meerwasserproben aus dem besonders abgelegenen Weddellmeer weisen allesamt eine höhere Konzentration an Mikroplastik auf als in früheren Studien.

Forschungsschiff Polarstern im Südpolarmeer
Das Wissenschafterteam um Clara Leistenschneider war mit dem Forschungsschiff Polarstern im südlichen Polarmeer unterwegs, um Wasserproben zu nehmen.
Foto: AWI/Mario Hoppmann

Winzige Partikel

"Grund dafür ist die Art der Beprobung, die wir durchgeführt haben", sagt Clara Leistenschneider von der Universität Basel und Erstautorin der im Fachjournal "Science of the Total Environment" erschienenen Studie. Im Fokus der Untersuchung standen Partikel zwischen elf und 500 Mikrometern. Die Forschenden erfassten sie, indem sie Wasser in Tanks pumpten, dieses filtrierten und es später mittels Infrarot-Spektroskopie analysierten.

Frühere Untersuchungen in der Region hatten Mikroplastikpartikel meist mit feinen Netzen aus dem Meer gefischt. Diese hatten Maschenweiten von rund 300 Mikrometern, kleinere Partikel blieben in den verwendeten Planktonnetzen gar nicht hängen. Das Ergebnis der neuen Studie: 98,3 Prozent der vorhandenen Kunststoffteile waren kleiner als 300 Mikrometer, wurden also in bisherigen Beprobungen gar nicht erfasst. "Die Verschmutzung im Südpolarmeer geht weit über das hinaus, was in früheren Studien berichtet wurde", sagte Leistenschneider.

Verschiedene Konzentrationen

Die einzelnen Proben waren unterschiedlich stark verschmutzt. Die Offshore-Proben, die nördlich des Kontinentalhangs und der Antarktischen Hangströmung entnommen wurden, wiesen die höchste Konzentration an Mikroplastik auf. Weshalb das so ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Möglicherweise bindet das Eis, das sich eher in Küstennähe bildet, die winzigen Plastikteilchen. Diese gelangen erst wieder ins Wasser, wenn das Eis schmilzt.

Es könnte aber auch sein, dass Meeresströmungen eine Rolle spielen, vermuten die Forschenden. "Sie könnten wie eine Barriere wirken und den Wasseraustausch zwischen Norden und Süden verringern", so Gunnar Gerdts vom AWI auf Helgoland, Co-Autor der Studie. Die Meeresströmungen sind in ihrem Forschungsgebiet ohnehin ein wichtiger Faktor, zu dem es noch viele offene Fragen gibt. Bisher haben die Wissenschafter nur Wasserproben von der Meeresoberfläche untersucht, nicht aber aus tieferen Lagen.

Laboruntersuchung auf Plastikverschmutzung
Clara Leistenschneider untersucht im Labor die Filter der Beprobungen, um auch noch die letzten Plastikpartikel ausfindig zu machen.
Foto: Universität Basel/Fagzhu Wu

Keine Daten aus der Tiefe

Das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass auf den Schiffsexpeditionen wenig Zeit für die Probenahme zur Verfügung steht und die Pumpleistung der Geräte dafür nicht hoch genug ist. "Es wäre jedoch aufschlussreich, auch solche Daten auszuwerten, da die Tiefenströmungen sich stark von den Oberflächenströmungen unterscheiden und es durch die thermohaline Zirkulation zum Austausch mit Wassermassen aus nördlichen Regionen kommt", sagte Leistenschneider.

Unklar ist bisher auch, wie das Mikroplastik überhaupt ins Weddellmeer gelangt und ob es je wieder aus dem Gebiet verschwinden wird. Letzteres könnte der starke antarktische Zirkumpolarstrom verhindern, der bei etwa 60 Grad Süd rund um das Südpolarmeer fließt. Woher das Mikroplastik stammt, lässt sich laut der Umweltwissenschafterin ebenfalls nicht abschließend sagen. Mögliche Quellen sind die Schifffahrt in der Region, sowohl im Tourismus als auch für die Fischerei und zu Forschungszwecken, sowie die Forschungsstationen an Land. Das Mikroplastik könnte aber auch über Meeresströmungen oder atmosphärischen Transport aus anderen Regionen in die Antarktis gelangen.

Vorsichtiger Optimismus

Als Nächstes will das Team um Leistenschneider die Sediment-Proben auswerten, die es während der Expedition geborgen hat. Das soll Aufschluss darüber geben, wie sich Mikroplastik auf dem Meeresgrund ansammelt, der einzigartige und sensible Organismen beherbergt sowie Brutstätte antarktischer Eisfische ist. Mit dem zunehmenden Tourismus im südlichen Polarmeer dürfte die Belastung in der Region künftig eher noch steigen und damit auch der Eintrag in die Umwelt und in den Nahrungskreislauf.

Dennoch ist Leistenschneider vorsichtig optimistisch: "Die Forschung zu dem Thema hat das Bewusstsein für die Probleme, die durch Mikroplastik für die Umwelt und alle Lebewesen entstehen, in den letzten Jahren deutlich gesteigert." Es gebe zwar keine allumfassende Lösung, aber weltweit arbeiten verschiedene Akteure intensiv daran, das Problem besser zu verstehen und innovative Ideen zu entwickeln, um die Plastikverschmutzung zu reduzieren. (red, 10.4.2024)