Fleischessen Der Standard
Fleisch ist unser Gemüse, darauf hat die Organisation Vier Pfoten vor wenigen Tagen hingewiesen. Österreichs Fleischkonsum ist laut der NGO fast doppelt so hoch wie der weltweite Verbrauch.
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Ich bin Fleischesser. Ich bin nicht stolz darauf, aber schämen tu' ich mich auch nicht. Die gelegentliche Bolognese, das Backhendl bei der Mama, der saftige, geile Burger. Why not? Mein Fleischkonsum hält sich in Grenzen. Mein Gewissen? Rein. Oder sagen wir: eher rein. Mir ist natürlich bewusst, dass jedes Stück Fleisch schädlich ist. Für das Klima, für mich.

Ich frage mich aber, ob alle Fleischesser und Fleischesserinnen zumindest ein bisschen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie in eine Schnitzelsemmel beißen. Der Diskurs der vergangenen Jahre, dass wir weniger Fleisch konsumieren müssen, kann nicht an allen spurlos vorbeigehen. Wenn dann, wie in dieser Woche, eine neue Berechnung besagt, dass die Österreicherinnen und Österreicher durchschnittlich mehr als sieben Schnitzel pro Woche essen, kann einem ja nur schlecht werden. Es ist grausig, das zu lesen. Jeden Tag Schnitzel, von der Oma bis zum Kind. 58,6 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr. Der durchschnittliche weltweite Verbrauch liegt bei 33 Kilo. Es ist eine perverse Rechnung, die uns die Tierschutzorganisation Vier Pfoten vor einigen Tagen unter die Nase gerieben hat.

Ich nehme mich da gar nicht aus: Ich wohne mit einer vegan lebenden Person zusammen, gemeinsam kochen wir fleischlos. Und ich gestehe: Wenn ich alleine bin, dann koche ich erst recht etwas mit Fleisch. Das ist natürlich auch falsch. Wenn ich so selbstreflektiert, so aufgeklärt wäre, dann könnte ich mir in solchen Situationen auch etwas Vegetarisches zubereiten. Mach' ich aber nicht.

Fleisch statt Gemüse

Aber warum schaffen wir es nicht, weniger Fleisch zu essen? Es gibt so viele Alternativen, vom Gemüse bis zu Ersatzprodukten, die, ehrlich gesagt, vielen Fleischprodukten geschmacklich verdammt nahekommen. Extrawurst zum Beispiel müsste heute gar nicht mehr aus Fleisch hergestellt werden, so gut sind die pflanzlichen Produkte mittlerweile. Man braucht jetzt nicht auf die ausufernde und chemische Zutatenliste veganer Ersatzprodukte hinweisen. Wissen Sie, welche Inhaltsstoffe in einer Extrawurst enthalten sind? Also abgesehen von fragwürdigen Fleischresten? Triphosphate, Fruchtkonzentrat, Ascorbinsäure, Maltodextrin. Von wegen natürliches Produkt.

Doch trotz der vielen Alternativen greifen wir zum Fleisch. Eigentlich interessant. Wird nicht immer gepoltert, dass die Veganerinnen und Vegetarier uns das Fleisch wegnehmen wollen? Getreu dem Motto: Bald dürfen wir nur mehr Körndeln und Salat essen. Unsere Leitkultur basiert auf dem Schnitzel. Und wenn wir das nicht mehr haben, bricht Österreich zusammen.

Aber wenn die Veganer so militant sind, warum essen wir noch immer täglich ein Schnitzel? Liegt es vielleicht daran, dass wir Fleischesser in Wahrheit militanter sind als die Veganer? Dass wir uns bedroht fühlen und extra noch mehr Fleisch essen? Sind sie laut, sind wir lauter.

Ein bisserl weniger?

Dabei geht es ja gar nicht ums Wegnehmen. Es geht darum, ein bisserl weniger Fleisch zu essen. Ich beispielsweise versuche meinen Papa dazu zu bringen, weniger davon zu essen. Für ihn ist eine Mahlzeit ohne Fleisch kein richtiges Essen. Doch Wurst zum Frühstück, eine Suppe mit Fleischeinlage zu Mittag, und was Paniertes am Abend ist einfach zu viel. Und wenn es Topfenknödel als süßes Mittagessen gibt oder etwas Vegetarisches, wird ihm extra ein Kotelett herausgebraten. Das ist doch absurd. Schließlich geht es auch um seine Gesundheit.

Wie mein Papa, so ticken viele in Österreich. Diese Mentalität zu verändern ist, wenn man die Zahlen anschaut, anscheinend unmöglich. Aber wie kommen wir aus der Fleischspirale heraus? Ein gutes Beispiel für unsere Väter sein? Auf die Hau-drauf-Methode setzen? Sich selbst kasteien? Für mich selbst habe ich noch keine Lösung gefunden. (Kevin Recher, 10.4.2024)