Dame Jane Goodall anlässlich der Premiere der Fernsehserie "Jane" im Jahr 2023. Nach der weltberühmten Primatologin ist seit 2022 sogar eine Barbie gestaltet.
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Es war laut eigener Aussage die einzige Feier zum runden Jubiläum, auf die sie sich wirklich freute: Dame Jane Goodall, die am 3. April 90 Jahre alt wird, fand sich vor einigen Tagen an einem Strand in Kalifornien ein, um mit 90 Hunden aller Rassen und den dazugehörigen Besitzerinnen und Besitzern ihren runden Geburtstag zu feiern.

Einer der Gründe für die originelle Aktion: Die Schimpansenforscherin ist eigentlich eine noch viel größere Hundefreundin. Und während ein Treffen mit 90 Schimpansen in einem Desaster geendet hätte, wie Goodall in einem rezenten Interview mit der "New York Times" sagte, hätte das Zusammentreffen mit den Vierbeinern trotz Regens nicht besser sein können.

Der Termin in Kalifornien war nur eine der zahllosen Verpflichtungen der 90-Jährigen, die aktiv wie eh und je ist. Dieses Jahr wird sie 320 Tage lang unterwegs sein – um vor allem Geld für ihre 25 Jane-Goodall-Institute rund um den Planeten zu sammeln und Menschen zu ermutigen, sich für die Umwelt einzusetzen. Denn längst ist Goodall viel mehr Aktivistin als Forscherin.

Forschung ohne Studium

Doch auch zur Forscherin wurde Goodall erst auf Umwegen. Ihre Familie hatte schlicht nicht das Geld, um ihr ein Studium zu finanzieren. Also verdingte sie sich als Sekretärin und Kellnerin, ehe sie zu einer ersten Reise nach Afrika aufbrach, um sich ihren Kindheitstraum von einem Leben unter wilden Tieren wahrzumachen. Als Inspiration für ihre Passion nannte sie später die Kinderbuchreihen "Doctor Dolittle" und "Tarzan". Scherzend meinte sie später einmal, sie sei enttäuscht gewesen, weil Tarzan die falsche Jane geheiratet habe.

In Kenia traf sie bei einer der Reisen den britisch-kenianischen Anthropologen Louis Leakey, der sich von ihren Kenntnissen und ihrer Begeisterung beeindruckt zeigte. Leakey beauftragte die damals 26-Jährige damit, eine Gruppe Schimpansen an den Ufern des Tanganjikasees im Norden des heutigen Tansania zu erforschen. In ihrer fehlenden akademischen Ausbildung und ihrer Unvoreingenommenheit sah Leakey dabei eher eine Stärke als eine Schwäche.

Zunächst von ihrer Mutter begleitet, trotzte Goodall monatelang jeder Witterung und allerlei Gefahren wie Giftschlangen, um in die Nähe ihrer Forschungsobjekte zu gelangen – zunächst vergeblich. Die Schimpansen liefen davon. Doch nach und nach gewöhnten sich die Tiere an den Anblick des "fremden weißen Menschenaffen", wie sie sich selbst gerne nennt. Bald wurde sie Teil ihrer Gemeinschaft. Die Methode der "teilnehmenden Beobachtung" erwies sich als erfolgreicher als alles andere, was zuvor versucht worden war. Ihr bester Schimpansenfreund wurde David Greybeard, ein gutmütiges männliches Tier mit weißem Haar am Kinn, das als Erstes wagte, in ihre Nähe zu kommen. Greybeard öffnete ihr die Tür zur Erforschung der Gruppe.

Bahnbrechende Beobachtungen

Ende 1960 beobachtete sie Greybeard dabei, wie er mit einem Stock in einem Termitenbau stocherte und damit die Insekten fing. Er präparierte Zweige sogar dafür, indem er die Blätter abstreifte. Bis dahin galt die Verwendung von Werkzeugen als wichtigste Unterscheidung zwischen Menschen und Tieren, auch wenn Werkzeuggebrauch bei Schimpansen bereits vom deutschen Psychologen Wolfgang Köhler rund 50 Jahre zuvor beobachtet worden war. Als sie Leakey von dieser Beobachtung berichtete, telegrafierte er zurück: "Jetzt müssen wir entweder den Menschen neu definieren. Werkzeug neu definieren. Oder wir müssen Schimpansen als Menschen anerkennen."

Wegen ihrer bahnbrechenden Beobachtungen wurde Goodall 1962 in Cambridge ohne Studium zur Dissertation zugelassen. "Damals, in den frühen 60er-Jahren, glaubten viele Forschende, dass nur Menschen einen Verstand haben, dass nur Menschen in der Lage sind, rational zu denken", sagt sie in dem 2017 veröffentlichten Dokumentarfilm "Jane", in dem viele Aufnahmen aus der frühen Zeit ihrer Forschung zu sehen sind. "Zum Glück war ich nicht an der Universität und wusste diese Dinge nicht", fügt sie hinzu.

Official Film Trailer: JANE | National Geographic
National Geographic

Um ihren Erkenntnissen Akzeptanz zu verleihen, hatte sie mit mehreren Problemen zu kämpfen: So galt es als unwissenschaftlich, so eng mit den Untersuchungsobjekten zu kooperieren oder den Schimpansen Namen statt Nummern zu geben. Außerdem hätten Tiere keine Persönlichkeit, keine Intelligenz und keine Gefühle. Goodall ließ sich von dieser akademischen Kritik nicht beirren – auch deshalb, weil sie sich an ihren Hund Rusty erinnerte, der ihr schon als Kind beigebracht habe, dass solche Ansichten Quatsch seien, wie sie sich im Interview mit der "New York Times" erinnert.

Kontakt zu Konrad Lorenz

Im Jahr 1964, also vor genau 60 Jahren, publizierte sie dann ihre Beobachtungen. Kurz zuvor nahm sie mit Konrad Lorenz Kontakt auf, damals unumstrittener internationaler Star der Verhaltensforschung. Lorenz unterstützte Goodall in der Folge so gut er konnte. Die beiden standen 25 Jahre lang bis zu Lorenz' Tod 1989 in engem Kontakt, tauschten in Briefen ihre Beobachtungen aus und trafen einander auch einige Male in Altenberg und im Almtal.

Jane Goodall
Jane Goodall im Jahr 1964, als sie ihre Beobachtungen erstmals wissenschaftlich veröffentlichte.
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Ebenfalls 1964 heiratete Goodall den niederländischen Tierfilmer und Fotografen Hugo van Lawick, dessen Aufnahmen für das Magazin "National Geographic" erheblich zu ihrem Ruhm beitrugen. Die Ehe zerbrach nach zehn Jahren. Wenig später heiratete sie den Direktor der tansanischen Nationalparks Derek Bryceson, der 1980 nach nur fünf Ehejahren starb, was Goodall – längst eine Ikone der Verhaltensforschung – in eine Lebenskrise stürzte.

Goodall beobachtete aber auch Unangenehmes in Gombe. Eine verheerende Polio-Epidemie unter den Menschenaffen und später tödliche Auseinandersetzungen zwischen den Tieren brachten Ernüchterung in die beinahe paradiesisch anmutende Welt. "Ich dachte, sie wären wie wir, aber auch netter als wir", sagte Goodall rückblickend und fügte hinzu: "Ich hatte keine Ahnung von der Brutalität, die sie an den Tag legen können."

Sinn für Humor

Als sie erkannte, dass Schimpansen-Populationen überall schrumpften und ihren Lebensraum zunehmend verloren, setzte sich Goodall in den folgenden Jahren immer stärker für den Arten- und Umweltschutz ein. Ihren britischen Humor hat sie dabei nie verloren. Typisch dafür ist auch ihre Reaktion auf einen Cartoon von Gary Larson aus dem Jahr 1987. Darauf zu sehen sind zwei Schimpansen, ein Männchen und ein Weibchen, die auf einem Ast sitzen. Das Schimpansenweibchen zupft dem Männchen die Haare vom Rücken und sagt: "So, so – noch ein blondes Haar. Hast Du noch ein bisschen 'Forschung' mit dieser Jane-Goodall-Schlampe betrieben?"

Das 1977 gegründete Jane-Goodall-Institut verfasste umgehend eine Unterlassungserklärung. Goodall war damals im Ausland und sah den Cartoon erst nach ihrer Rückkehr – und fand ihn lustig. Die Unterlassungserklärung wurde zurückgenommen, und nachdem Goodall mit Larsen Kontakt aufgenommen hatte, wurden die beiden Freunde. Larson schenkte dem Institut das Copyright am Cartoon zur Herstellung eines T-Shirts, mit dem dann Spenden gesammelt wurden. Und Goodall schrieb sogar ein Vorwort für eine der Ausgaben von "The Far Side".

Jane Goodall; Barbie
Jane Goodall 2022 mit der nach ihrem Vorbild gestalteten Barbie. Noch mehr popkulturelle Anerkennung ist schwer möglich.
via REUTERS

Touren für den Umweltschutz

An den 320 Tagen, die sie 2024 auf Achse ist, macht Goodall unter anderem Werbung für eine Reduzierung des Fleischkonsums und will Menschen durch Vorträge und Veranstaltungen für den Umwelt- und Naturschutz begeistern. So machte sie zu Beginn der Corona-Pandemie unsere Respektlosigkeit gegenüber der Natur für die Krise verantwortlich. Mit dem Jane-Goodall-Institut, das insgesamt 25 Dependancen weltweit hat, verfügt sie über ein weltweites Netz, mit dem sie für ein Umdenken wirbt.

Als Schlüssel zur Veränderung sieht sie die Jugend. "Ich werde den Jugendlichen nicht sagen, was sie tun sollen. Aber wir müssen sie motivieren, denn sie machen den Unterschied", sagte Goodall 2016 bei einem ihrer zahlreichen Wien-Besuche. Deshalb liege ihr auch ihr globales, ökologisches und humanitäres Kinder- und Jugendprogramm Roots and Shoots besonders am Herzen.

Anders als viele junge Aktivistinnen und Aktivisten bleibt Goodall dabei optimistisch. Auf die Frage eines Jugendlichen, wie man Menschen überzeugen könne, die den Klimawandel abstreiten, antwortete sie in ihrem Podcast: "Eine Sache, die ich dir empfehlen würde nicht zu tun, ist, aggressiv zu werden. Sie werden dir nicht zuhören." (tasch, APA, 3.4.2024)