Das Jahr 2016 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Smartphones. In jenem Spätsommer stellte Apple das iPhone 7 vor. Dabei bestätigte sich, was in der Gerüchteküche schon seit Monaten kolportiert wurde. Das beliebte Handy wurde von nun an ohne 3,5-mm-Klinkenanschluss gebaut. Wer weiter seine alten Kopfhörer verwenden wollte, musste zu einem Adapter für den Lightning-Port greifen, der aber vor allem bei Headsets gerne Probleme machte. Als Alternativen boten sich sonst nur Kopfhörer, die ab Werk mit Lightning anzuschließen waren, oder Bluetooth-Equipment. Dass Apple zeitgleich mit dem neuen Smartphone auch seine ersten Airpods vorstelle, dürfte eher kein Zufall gewesen sein.

Das iPhone 7 war nicht das erste Handy moderner Bauart, das die Buchse strich, aber das mit Abstand einflussreichste. Weitere Hersteller folgten in den nächsten Jahren auf den Fuß. Darunter auch One Plus und Google, die sich zuvor noch in PR-Seitenhieben über genau diese Maßnahme von Apple lustig gemacht hatten. Sie alle stellen längst auch eigene Drahtloshörer her. 2024 gibt es praktisch keine Handy-Flaggschiffe mit 3,5-mm-Anschluss mehr, und selbst in der Mittelklasse sind sie kein Fixum. Bei Samsungs beliebter Galaxy A50-Serie war das A52s 5G aus dem September 2021 die letzte Variante, bei der man konventionelle Kopfhörer ohne Dongle einstecken konnte.

Bei Pocket-Lint zieht nun die Journalistin Sam Smart Bilanz zum Schwund. Sie sieht den Schritt als letztlich von Gier getriebene Maßnahme, die noch dazu ökologische Probleme verursacht. Die gute Nachricht: Klassische Kopfhörer sind trotzdem nicht totzukriegen.

Lang ist's her: Als 2011 das iPhone 4s erschien, war die 3,5-mm-Buchse auch bei Apple-Smartphones noch eine Selbstverständlichkeit. Fünf Jahre später wurde sie vom kalifornischen Hersteller ausgemustert.
DER STANDARD/Pichler

Nie wirklich obsolet

Die Zeichen der Zeit sprechen für wieder steigendes Interesse an verkabelten Lösungen. Smart ortet stärkere Präsenz auf Plattformen wie Instagram oder Tiktok. Dabei handelt es sich womöglich um mehr als einen reinen Fashiontrend. Auch die Aufmerksamkeit für Lossless-Formate, also digitale Audioaufzeichnungen ohne hörbarem Qualitätsverlust, scheint größer geworden zu sein.

Apples damaliges Argument, dass man die "Courage" hatte, den Stecker zu streichen, da er praktisch obsolet sei und es bessere Lösungen gibt, kann sie nicht nachvollziehen. Den Klinkenanschluss selbst gibt es seit dem 19. Jahrhundert, der 3,5-mm-Stecker erblickte in den 1950ern das Licht der Welt. Signifikante technische Änderungen daran gab es seitdem nicht, er etablierte sich ob seines Formats und seiner Zuverlässigkeit nicht umsonst als Standard, insbesondere bei portablen Audiogeräten. Dass seine Entfernung mehr Platz für andere Dinge beim Bau von Smartphones schafft, entschädigt nicht dafür, eine "essentielle Komponente" abzuschaffen.

Müllproblem

Abseits komprimierungs- und übertragungsbedingter Qualitätsverluste gibt es bei Airpods und Co noch weitere Kritikpunkte. Sie beinhalten mehr Elektronik und benötigen daher auch mehr Ressourcen für die Herstellung, insbesondere seltene Erden, die teilweise aus Kriegs- und Konfliktregionen stammen und deren Gewinnung oft mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden einhergeht.

AirPods Pro 2 Teardown - Still Completely Unrepairable?
iFixit

Während klassische Hörer sehr lange halten können, ist die Lebensdauer ihrer Bluetooth-Pendants zudem durch den mit der Zeit unweigerlich schwächer werdenden Akku begrenzt. Dieser lässt sich in den allermeisten Fällen auch nicht einfach tauschen. Das zeigt etwa die Analyse von Apples Airpods Pro 2 durch iFixit, das diesen in Sachen Reparierbarkeit und Recycling eine desaströse Bewertung ausstellt. 2019 resümierte man bei einer Zerlegung von neuen Airpods gar, dass es sich um "unreparierbare Einwegartikel" handle. Die Folge sind mehr Elektromüll und CO2-Ausstoß. Ein Kabel ist zwar ein Komfortnachteil, im Gegenzug gehen die Hörer aber weniger leicht verloren und muss man sich aber keine Gedanken um die Akkulaufzeit machen.

Comeback möglich, Chance gering

Kopfhörer mit Klinkenstecker sind zwar nicht vom Aussterben bedroht, wofür alleine schon das Marktsegment der sogenannten Audiophilen sorgt, dennoch braucht es mehr für eine Trendwende als Videos auf Social-Media-Plattformen. Wer als Konsument möchte, dass sich etwas ändert, sollte sich für entsprechende Kopfhörer anstelle von Bluetooth-Accessoires entscheiden, um mit seinem Geld dafür abzustimmen. Dann – auch wenn die Chancen wohl gering sind – könnte die zuverlässige Buchse vielleicht auch ein Comeback bei Smartphones feiern. (gpi, 26.3.2024)