Ralf Rangnick gestikuliert.
Ralf Rangnick hat gegen die Slowakei gesehen, dass auf der Bank Optionen lauern.
REUTERS/David W Cerny

Bratislava – Ralf Rangnick ist nun endlich ein "Weltrekord-Teamchef". Damit kann der 65-jährige Deutsche in Diensten der österreichischen Nationalmannschaft durchaus leben, schließlich lechzen die Welt und der Fußball nach Außergewöhnlichem. Sein Dank gebührte Christoph Baumgartner, der am frühen Samstagabend in Bratislava in der siebenten Sekunde das 1:0 gegen den EM-Teilnehmer Slowakei erzielt hatte. Da es ein historisches Ereignis war, sei das Tor noch einmal kurz geschildert: Anstoß Michael Gregoritsch, der passt zum nahe stehenden Baumgartner. Der 24-jährige Leipzig-Legionär rennt im heftigen Regen los, lässt drei Slowaken stehen und trifft aus 18 Metern flach in die linke Ecke.

Später schilderte er den Coup ausführlich, die Fassungslosigkeit über sich selbst hat weit länger als sieben Sekunden gedauert. "Sensationell. Wir haben das schon öfter gemacht, dass wir ein Zeichen setzen mit dem Anstoß." Üblicherweise komme nach dem ersten Dribbling ein Pass in den Halbraum, den hätten ihm die Slowaken aber zugestellt. "Ich habe mir gedacht: Zurückziehen kann ich auch nicht, jetzt gehe ich durch und riskiere einfach. Im schlimmsten Fall ist es ein Ballverlust, und wir gehen ins Gegenpressing. Aber es ist sich mit der Schrittfolge perfekt ausgegangen." Ob die Aktion einstudiert war, sei dahingestellt, Kapitän Marcel Sabitzer äußerte Zweifel. "So etwas kann man nicht trainieren." Drei Stunden später war die Marke übrigens gefährdet, Florian Wirtz scorte in Lyon nach acht Sekunden für Deutschland gegen Frankreich.

Viel früher, zurück in Bratislava, erhöhte Andreas Weimann nach einer brillanten Aktion auf 2:0 (82.). Joker Romano Schmid hatte Joker Weimann hervorragend eingesetzt. Auch dieses Tor verdiente in seiner Entstehung und Schönheit das Prädikat besonders wertvoll.

Volle Hosen

Der Start in das EM-Jahr ist also geglückt, es war das vierte Spiel in Serie ohne Gegentor. Auffallend ist der Wille zu Perfektion, der Hang zu Selbstkritik, schwache Phasen, und davon gab es in Bratislava einige, werden angesprochen. Auch das ist eine neue Qualität. Mit vollen Hosen lässt es sich leicht stinken. Rangnick sagte: "Mir taugt der ehrliche Umgang. In der ersten Halbzeit haben wir viele Fehler gemacht, die war österreichisch gesagt 'zach'. Aber wir haben unsere Schlüsse gezogen."

Der Kader wird jedenfalls breit und breiter. "Wir haben schon so einen Kern, einen 'stable core', wie der Engländer sagt." Das Kerngehäuse bilden Nicolas Seiwald, Konrad Laimer, Xaver Schlager, Sabitzer, Baumgartner und Gregoritsch. Prominente Ausfälle werden kompensiert, wobei es Rangnick viel lieber wäre, David Alaba bei der EM dabeizuhaben. Der Kreuzbandriss dürfte das mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern. "Er kann natürlich nicht gleichwertig ersetzt werden." Marko Arnautovic fehlt vorerst nur bei diesem Lehrgang, chronische muskuläre Probleme sind aber doch ein ziemliches Fragezeichen.

In Bratislava spielte der 20-jährige Rapidler Leopold Querfeld erstmals in der Innenverteidigung, es war ein durchwachsenes Debüt, laut Rangnick ein "Drahtseilakt". Querfeld hatte bereits in der achten Minute die Gelbe Karte kassiert, war Rot-gefährdet. Max Wöber sorgte dann in der zweiten Halbzeit für Stabilität. Er ist eine Alternative zur Alternative der Alternative.

Starker Schmid

Andere muckten auf. Bremen-Legionär Schmid hatte nach seiner Einwechslung 20 auffällige Minuten, der reaktivierte Weimann von West Bromwich glänzte durch Effizienz. "Romano strotzt vor Selbstvertrauen, er klopft an die ersten elf an. Und Andreas hat gezeigt, dass er ein Knipser ist." Auch Patrick Wimmer sorgte für frischen Wind. Rangnick hat das Klopfen gehört.

Am Dienstag wird in Wien gegen die Türkei sicher geprobt und eventuell geklopft (20.45 Uhr, ORF 1). Im Trainingslager in Marbella wurden neue Standards einstudiert. Da man nicht blöd ist, werden sie erst bei der EM gezeigt. Franceso Calzona, Trainer von Napoli und Teamchef der Slowakei, sagte: "Österreich ist stark, ich denke, sie werden die Überraschung der EM sein."

Aber vorerst kommt die Türkei. Es sind noch rund 10.000 Tickets zu haben, Rangnick wäre enttäuscht, sollte das Happel-Stadion nicht voll sein. Stimmungsmäßig dürfte es ein echter EM-Test sein. "Aufgrund der vielen türkischen Fans ist es eine neutral-ähnliche Situation." Das Ziel sei klar. "Am Ende ist Fußball immer ein Ergebnissport. Es zählt nur der Sieg." (Christian Hackl aus Bratislava, 24.3.2024)