Riff, Korallen, Meeresschildkröte
Meereshitzewellen machten dem Great Barrier Reef bereits in der Vergangenheit zu schaffen.
Foto: Kiko Jimenez, via www.imago-imag

Das Great Barrier Reef vor der Küste des australischen Bundesstaates Queensland bereitet Fachleuten Sorgen: Wegen deutlich erhöhter Wassertemperaturen ist nun bei dem Naturwunder die fünfte Massenbleiche von Korallen innerhalb von nur acht Jahren bestätigt worden. Dies teilte die zuständige Behörde Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) am Freitag mit.

Expertinnen und Experten hatten bereits vor wenigen Tagen berichtet, dass wegen der jüngsten marinen Hitzewelle ein 1.100 Kilometer langes Gebiet, das sich von Lizard Island bis zu den Keppel Islands erstreckt, einem unterseeischen Geisterwald glich. Luftaufnahmen hätten nun gezeigt, dass die neue Korallenbleiche bereits sehr weit verbreitet sei. Es seien aber weitere Untersuchungen direkt im Wasser nötig, um die Schwere der Massenbleiche genau zu beurteilen, schrieb die GBRMPA.

Gewaltiger Lebensraum

Das gewaltige Riff ist so groß, dass es selbst von der Internationalen Raumstation ISS mit bloßem Auge zu erkennen ist. Die zusammenhängenden Korallenbänke erstrecken sich über eine Länge von 2.300 Kilometern vor der Nordostküste Australiens und gelten als einer der artenreichsten Lebensräume der Erde. Hunderte Korallenarten, 1.500 Fischarten und 4.000 verschiedene Weichtierarten sind hier beheimatet.

"Das Great Barrier Reef leidet massiv unter Hitzestress", warnte Laura Puk, Expertin für Korallen und Mangroven vom WWF Deutschland. "Starke Korallenbleichen führen zum Absterben der Korallen, und wenn diese in kurzen Abständen erfolgen, hat ein Riff keine Chance, sich zu erholen." Diese achte Bleiche seit 2016 sei verheerend für die Weltnaturerbestätte.

Wie es zur Bleiche kommt

Die hohen Wassertemperaturen schaden vor allem den empfindlichen "Kooperationspartnern" der farbenprächtigen Nesseltiere: Korallenpolypen leben in Symbiose mit bestimmten verschiedenfarbigen Algen, von denen sie sich mit Nährstoffen versorgen lassen. Bei steigender Meerestemperatur beginnen die Algen, Giftstoffe zu produzieren, was den Korallen wiederum gar nicht behagt. Sie stoßen ihre Symbionten ab und verlieren dabei ihre Farbe – man spricht von der sogenannten Korallenbleiche.

Die Korallen wachsen nicht mehr und können sich schlechter gegen Feinde und Konkurrenten wehren. Kehren die Mikroalgen innerhalb einer bestimmten Zeit zurück, weil die Wassertemperaturen wieder sinken, kann sich die Koralle erholen – andernfalls stirbt sie. Der Prozess geht häufig mit dem Absterben der betroffenen Korallenbänke einher.

Video: Reef Health Update vom 08 March 2024
Great Barrier Reef Marine Park Authority

Fachleute befürchten, dass nur ein baldiger Wetterumschwung und eine schnelle Abkühlung des Wassers das Great Barrier Reef noch retten können. Die GBRMPA betonte jedoch, noch sei nicht alles verloren – und das Bleichen der Nesseltiere müsse nicht notgedrungen zu ihrem völligen Absterben führen. Das Riff habe bereits seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, sich von früheren Korallenbleichen oder schweren tropischen Wirbelstürmen zu erholen.

Grund zu Optimismus

Doch es gibt auch gute Nachrichten aus den Korallengärten: Eine aktuelle Untersuchung konnte nachweisen, dass Bemühungen zur Wiederherstellung von Riffen durchaus sinnvoll und zielführend sind. Selbst schwer geschädigter Korallenbestand könnte sich in einigen Fällen binnen weniger Jahre wiederherstellen lassen, berichtet ein Team um Ines Lange von der Universität Exeter (Großbritannien) im Fachjournal "Current Biology".

"Wir haben herausgefunden, dass wiederhergestellte Korallenriffe bereits vier Jahre nach der Verpflanzung mit derselben Geschwindigkeit wachsen können wie gesunde Korallenriffe", sagt Lange. "Das Tempo, mit der sie sich erholten, war unglaublich. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass sich das Riffgerüst nach nur vier Jahren vollständig regenerieren würde."

Verarztete Riffe

Die Studie wurde im Rahmen des Mars Coral Reef Restoration Programme in Südsulawesi, Indonesien, durchgeführt, eines der größten Korallenrestaurierungsprojekte der Welt. Es beruht auf der Verpflanzung von Korallen und der Zugabe von Substrat, um Riffe zu heilen, die vor 30 oder 40 Jahren durch Sprengfischerei stark beschädigt wurden. Ohne menschliches Eingreifen hätten sich diese Riffe aufgrund des losen Korallenschutts, der das Überleben der jungen Korallenlarven verhindert, nicht erholen können.

Im Zuge der Wiederherstellung wurde ein durchgehendes Gitternetz aus sandbeschichteten Stahlkonstruktionen ausgelegt, um die Trümmer beisammenzuhalten und eine Struktur für die Verpflanzung von Korallenfragmenten zu schaffen. Die Frage, die sich die Forschenden dabei stellten, war, ob und wie schnell sich solche reparierten Riffe erholen würden. Um dies herauszufinden, maßen die Forscher den Karbonathaushalt von zwölf Standorten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor bis zu vier Jahren saniert worden waren.

Korallen, Rettung, Projekt
Beim Mars Coral Reef Restoration Programme sollen Gitterkonstruktionen aus Stahl die Trümmer des zerstörten Riffs zusammenhalten und den jungen Korallen Halt geben. Da verzweigte Korallen gegenüber anderen Korallen bevorzugt verpflanzt wurden, unterscheidet sich die Zusammensetzung der wiederhergestellten Riffgemeinschaften von den ursprünglichen.
Foto: Mars Coral Reef Restoration Programme

Wichtiges Wachstum

"Korallen fügen dem Riffgerüst ständig Kalziumkarbonat hinzu, während einige Fische und Seeigel es abtragen. Die Berechnung des Gesamtkarbonatbudgets gibt also Aufschluss darüber, ob das Riff als Ganzes wächst oder schrumpft", sagte Lange. "Ein positives Riffwachstum ist wichtig, um mit dem Anstieg des Meeresspiegels Schritt zu halten, die Küsten vor Stürmen und Erosion zu schützen und Lebensraum für Rifftiere zu bieten."

Insbesondere wollten die Forschenden wissen, wie lange es dauert, bis sich ein gesundes Riffwachstum und die damit verbundenen Funktionen wieder einstellen. Ihre gesammelten Daten zeigen, dass das rasche Wachstum der transplantierten Korallen die Erholung der Korallenbedeckung und der Karbonatproduktion unterstützt. Bereits nach vier Jahren hatte sich der Nettokarbonathaushalt verdreifacht und entsprach damit jenem der gesunden Kontrollstellen.

Die Ergebnisse demonstrieren, dass aktive Maßnahmen dazu beitragen können, die Widerstandsfähigkeit der Riffe zu erhöhen und wichtige Ökosystemfunktionen in relativ kurzen Zeiträumen wiederherzustellen, so Lange. "Diese Ergebnisse stimmen optimistisch, dass es für die Zeit, in der die globale Erwärmung zum Stillstand kommt, ein wirksames Instrumente gibt, um noch funktionierende Korallenriffe wieder aufzubauen", ergänzte Tim Lamont, Co-Autor der Studie von der Universität Lancaster. (tberg, APA, red, 8.3.2024)