Wie lief die – viele aufregende – Einhebung des neuen ORF-Beitrags von allen in den ersten zwei Monaten? Im ORF-Stiftungsrat berichtete Generaldirektor Roland Weißmann vergangene Woche, die Beitragstochter OBS und ihre bisherigen Ergebnisse lägen im Plan, ja sogar über Plan. Aber: Die Meldedaten könnten genauer sein.

Die große Mehrheit der neuen Beitragszahlerinnen und -zahler hätten sich entschieden, die ORF-Gebührentochter den Beitrag abbuchen zu lassen. Sonst müssten sie laut Gesetz auch den Beitrag für das ganze Jahr gleich im Jänner überweisen – das wären 183,60 Euro. Die 2024 erwarteten und budgetierten Mittel dürften mit dem Beitrag jedenfalls eingespielt werden.

Korrektur: Der ORF darf laut ORF-Gesetz 2024 bis 2026 im Jahresschnitt 710 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag einnehmen. Sollte er unter den für den öffentlich-rechtlichen Auftrag nötigen und budgetierten Einnahmen aus dem Beitrag bleiben, kann er zum Ausgleich auf ein Sperrkonto zurückgreifen. Auf diesem Sperrkonto liegen Einnahmen aus GIS oder nun aus dem Beitrag, die im jeweiligen Jahr die aktuellen Kosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags überstiegen haben. Entgegen früheren Informationen aus dem Stiftungsrat dürfte noch nicht klar sein, ob die Einnahmen aus dem neuen Beitrag im Jahr 2024 die Kosten abdecken, dann müsste er auf das Sperrkonto zurückgreifen. Der nicht auf Gewinn gerichtete ORF budgetierte für 2024 ein grob ausgeglichenes Ergebnis von 0,3 Millionen Euro. 2023 schloss der ORF nach vorläufigen Angaben an den Stiftungsrat mit einem Ergebnis von vier Millionen Euro ab.

Westenthalers Antrag

Ein erster Antrag des neuen FPÖ-Stiftungsrats Peter Westenthaler wurde mangels Zuständigkeit erst einmal nicht abgestimmt zwecks rechtlicher Prüfung. Westenthaler wollte, dass der Stiftungsrat ORF-General Weißmann beauftragt, Gespräche über eine neue Finanzierung des ORF via Bundesbudget mit der Bundesregierung aufzunehmen.

"ORF für alle" zu sein hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk vorgenommen, es sollen ja auch alle für ihn Beitrag zahlen.
Harald Fidler

Nicht recht zuständig

Westenthalers Antrag, dem ORF-Generaldirektor neue Verhandlungen über die ORF-Finanzierung aufzutragen, stößt auf rechtliche Hürden. Stiftungsrat und Generaldirektor haben im ORF-Gesetz festgelegte Aufgaben, Verhandlungen über die Finanzierung des ORF mit der Bundesregierung sind da nicht vorgesehen, der ORF-General vertritt das Unternehmen aber nach außen. Tatsächlich hat ORF-General Roland Weißmann 2022 und 2023 Gespräche mit Medienministerin Susanne Raab und Finanzminister Magnus Brunner über das 2023 beschlossene neue ORF-Gesetz geführt. Der Stiftungsrat kann den Generaldirektor laut Gesetz nicht zu Tätigkeiten verpflichten, die nicht in seinen Geschäftsbereich fallen, sagen sachkundige Juristen auf STANDARD-Anfrage zudem.

Der Stiftungsrat könne durchaus Empfehlungen an den ORF-Generaldirektor aussprechen, laut Gesetz und Geschäftsordnung aber nur zu Inhalten von Berichten des Generaldirektors an den Stiftungsrat. Westenthalers Antrag war laut mehreren Stiftungsräten als Auftrag und nicht Empfehlung formuliert. Also dürfte es wenig Rolle spielen, ob der Generaldirektor mit dem berichteten Stand zum ORF-Beitrag schon einen Anlass für eine Empfehlung geliefert haben könnte, mit der Regierung über eine Budgetfinanzierung des ORF zu verhandeln.

Die rechtlichen Bedenken spiegelten sich laut mehreren Sitzungsteilnehmern denn auch im Stimmungsbild der übrigen Stiftungsräte: einhellige Skepsis gegenüber Westenthalers Antrag, keine Abstimmung über diesen. Westenthaler findet die Vorgangsweise des Stiftungsratsvorsitzenden Lothar Lockl zu seinem Antrag "merkwürdig", sein Antrag sei "zu 100 Prozent rechtskonform" und werde nun eben rechtlich geprüft. "Dann eben nächstes Mal", erwartet Westenthaler.

Westenthaler: "Rechtliches Nachspiel"

Update: Westenthaler widerspricht der Darstellung seines Antrags als Auftrag an den ORF-Generaldirektor: "Mein Antrag wurde völlig korrekt und rechtmäßig zum richtigen Tagesordnungspunkt eingebracht und hätte natürlich zur Abstimmung gebracht werden müssen. Das war reine Politwillkür des grünen Vorsitzenden (Lothar) Lockl und wird ein rechtliches Nachspiel haben, das bis zum Rücktritt des Vorsitzenden führen kann."

Sein Antrag sei "so formuliert, dass er weder ein Auftrag, noch eine Weisung oder eine Empfehlung an den Generaldirektor ist, sondern schlicht ein 'Ersuchen'. Und genau das habe ich natürlich vorher rechtlich prüfen lassen. Wenn der Stiftungsrat den von ihm gewählten Generaldirektor nicht um etwas 'ersuchen' kann, wie in diesem Fall etwa Gespräche zu einer der wichtigsten Grundlagen des ORF - nämlich seine Finanzierung - zu führen, dann würde sich ein Aufsichtsrat ad absurdum führen und könnte überhaupt nie mehr etwas in diese Richtung beschließen. Mein Antrag war daher völlig korrekt und natürlich zulässig."

Westenthaler verweist auch auf die Rechtsansicht der Rechtsanwälte Alexander Scheer und und Florian Höllwarth, dass die Haushaltsabgabe im Stiftungsrat beschlossen werden müsse. Solange das nicht geschehen sei, sei diese nicht rechtsgültig (DER STANDARD berichtete). Die KommAustria stellte allerdings schon Mitte Februar fest, dass der Betrag für 2024 bis 2026 mit höchstens 15,30 pro Monat nach ihrer Auffassung schon festgelegt sei. Es bedürfe daher in dieser Zeitraum keines Beschlusses des Stiftungsrats. Rechtsanwalt Alexander Scheer sieht das nicht so, erklärt er auf STANDARD-Nachfrage. Für eine rechtliche Klärung müssten Betroffene die Frage aber - unjuristisch zusammengefasst - rechtlich durchfechten.

Im Stiftungsrat am vorigen Donnerstag berichtete Westenthaler von Menschen, die fast eine Stunde in der Info-Hotline der OBS gewartet hätten, die zudem kostenpflichtig sei. Der ORF hat schon vor einer Weile auf nicht extra kostenpflichtige Hotlines umgestellt, hieß es im Stiftungsrat, und auch die erste kostete nicht 80, sondern 10 Cent pro Minute. Im Durchschnitt betrage die Wartezeit bei der OBS derzeit zwischen zwei und vier Minuten, hieß es dazu vom ORF.

Ergänzung: Anrufe bei der Hotline der OBS (050 200 800) erfolgen laut OBS zu gleichen Tarifen wie zu Mobilfunk- und Festnetznummern nach den Tarifen der jeweiligen Betreiber. Die erste Angabe hier, die Hotline sei kostenlos, war also missverständlich.

Bitte melden, sagt ORF

"Bitte melde dich!" – der ORF könnte ein altes Sat1-Format zum ORF-Beitrag neu beleben. Denn: Der ORF-Beitrag wird pro Hauptwohnsitz eingehoben, und die Meldedaten könnten nach den bisherigen Erfahrungen der OBS gerne auch ein bisschen präziser sein.

Vor allem in größeren Ballungsräumen wäre die Meldebereitschaft – aus der Sicht des ORF und seiner Beitragstochter jedenfalls – noch ausbaufähig. Der ORF sucht nun Kontakt mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, um bessere und aktuellere Daten zu bekommen.

3,6 von vier Millionen Haushalten erreicht

Nach Angaben im Stiftungsrat hat der ORF bisher 3,6 Millionen Haushalte mit seinen Infos über den Beitrag (und wohl auch Zahlungsaufforderungen) erreicht. Laut Statistik Austria gibt es rund vier Millionen Hauptwohnsitze. Rund 10.000 Schreiben verschickt die OBS seit Monaten pro Tag, hieß es im ORF-Gremium.

Rund 80 Prozent der neuen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler hätten der OBS eine Sepa-Abbuchungsmandat erteilt. Das ORF-Gesetz sieht vor, dass neue Zahler den ORF-Beitrag gleich im Jänner für ein Jahr überweisen müssen, wenn sie kein solches Abbuchungsmandat erteilen. Mit Sepa-Einwilligung können sie halbjährlich oder alle zwei Monate zahlen.

Der Modus kommt 2026 laut Gesetz auch auf alle bisherigen Beitragszahler zu – entweder Sepa-Mandat für die OBS oder jährliche Zahlung. Wenn das Beitragssystem bis dahin hält. (fid, 12.3.2024)