Wolf
Wölfischer Weitwanderer: Ein Canis lupus hat sich über zumindest zwei Grenzen hinweg von Deutschland nach Spanien begeben.
Jan Noack

Die bisher letzten DNA-Proben, die auf die Anwesenheit des Wolfs in Nordspanien schließen lassen, sind etwas über ein Jahr alt und wurden im Februar 2023 in der Region Alta Ribagorça gefunden. Seitdem gibt es keine Hinweise mehr darauf, wo sich "GW1909m" aufhalten könnte und ob er noch lebt. Wenngleich auch diese Fragen spannend sind, so ist das eigentlich Interessante die Tatsache, dass es dieser Wolf überhaupt nach Nordspanien schaffte.

Das männliche Tier wurde nämlich im niedersächsischen Nordhorn geboren und wanderte quer durch Deutschland und Frankreich, bevor es sich offenbar in der Nähe eines Dorfes in den katalanischen Pyrenäen niederließ. Die Luftlinie zwischen dem deutschen und dem spanischen Probenfund beträgt 1.190 Kilometer und ist damit die längste bislang dokumentierte Wanderdistanz eines Wolfs weltweit. Möglich wurde diese Nachverfolgung dank der Zusammenarbeit dreier DNA-Labore, darunter das Zentrum für Wildtiergenetik am Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, das in einer Presseaussendung über den wölfischen Weitwanderer berichtet.

Wölfe als Weitwanderer

"Weite Wanderungen sind von Wölfen durchaus bekannt – im gleichmäßigen Trab können die Tiere mühelos viele Kilometer am Stück zurücklegen. Verlassen junge Wölfe ihr elterliches Rudel, legen sie auf der Suche nach geeigneten Territorien manchmal sehr weite Distanzen zurück. Die nun nachgewiesene Strecke ist aber auch für dieses Raubtier eine Besonderheit", erklärt Carsten Nowak, Leiter des Zentrums für Wildtiergenetik am Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Nowak und sein Team waren daran beteiligt, die Reiseroute des Beutegreifers mit genetischen Methoden zu rekonstruieren: Eine im Juni 2022 in Frankreich untersuchte Haarprobe aus dem französischen Burgund konnte einem Wolf mit dem – typisch mitteleuropäischen – Haplotyp HW01 zugeordnet werden und wurde daher zur näheren Analyse zu Senckenberg geschickt. "Wir konnten die Probe dem bereits bekannten Individuum GW1909m zuordnen. Laut genetischen Verwandtschaftsanalysen wurde der Wolf 2020 im 'Rudel Nordhorn' in Niedersachsen geboren", ergänzt Nowak.

Katalonische Kotproben

Im Februar 2023 wurden in Alta Ribagorça im nordspanischen Katalonien Kotproben eines Wolfes gesammelt, die nach einer ersten Analyse an der Autonomen Universität Barcelona in einem französischen Labor ebenfalls als Hinterlassenschaften von GW1909m identifiziert wurden. Auf seiner Reise von Norddeutschland bis Katalonien durchwanderte das Tier nicht nur große Naturgebiete, sondern legte auch lange Strecke in anthropogen geprägten Landschaften zurück.

"Die längste bisher aufgezeichnete Strecke eines Wolfes lag mit 1.092 Kilometern zwischen Norwegen und Finnland – unser Individuum hat gut 100 Kilometer Wanderdistanz obendrauf gelegt. Die Zusammenarbeit zwischen den Laboren in Deutschland, Frankreich und Spanien hat es ermöglicht, diese bemerkenswerte Ausbreitungsbewegung zu dokumentieren", so Nowak und weiter: "Die Ausbreitung über weite Entfernungen ist ein Schlüssel zur Verbindung entfernter Wolfspopulationen, welcher dazu beiträgt, genetische Isolation und Inzucht zu verhindern."

Ob der tierische Langstreckenläufer GW1909m noch lebt oder sogar Nachkommen produziert hat, werden künftige genetische Analysen zeigen. Oder eben nicht. (red, tasch, 5.3.2024)