Im ORF fehle es "da und dort vielleicht an Bewusstsein für die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit", konstatiert der Medienrechtsexperte des Presseclubs Concordia, Walter Strobl. Er regte am Mittwoch in einem Vortrag zur anstehenden ORF-Gremienreform an, den ORF im ORF-Gesetz darauf zu verpflichten – bisher fehle eine solche gesetzliche Bestimmung.

Strobl empfiehlt auch, dass höchstens ein Drittel des obersten ORF-Organs Stiftungsrat von politischen Institutionen wie Nationalrat und Bundesrat bestellt werden sollte.

ORF-Auge vor ORF-Zentrum
"Da und dort fehlt es vielleicht an Bewusstsein für die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit", beobachtet Concordia-Jurist Walter Strobl auf dem Küniglberg.
Harald Fidler

"Tatsächliche Verpflichtung der ORF-Gremien"

"Um das Bewusstsein für die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit zu schärfen", brauche es "eine explizite gesetzliche Verankerung der Interessenwahrung in Paragraf 1 ORF-Gesetz", sagte Strobl in der Concordia-Veranstaltungsreihe "Impulse für den ORF". Strobl widmete sich in seinem Beitrag der "Sicherung der Unabhängigkeit" des öffentlichen Rundfunks. Bisher sei die Allgemeinheit nur Begünstigte der Stiftung Österreichischer Rundfunk, im Gesetz selbst finde sich das aber nicht wieder.

Eine solche Gesetzesbestimmung wäre eine "grundlegende Handlungsanleitung und Bindung von Gremien und Management an die Wahrung dieser Interessen", erklärte Strobl – "sodass es eine tatsächliche Verpflichtung aller Gremien und des Managements gibt, die Interessen der Allgemeinheit zu wahren und nicht nur, wie es bis jetzt ist, das Unternehmenswohl im Blick zu haben". Das ORF-Gesetz verpflichtet Mitglieder des ORF-Gremiums, die – vor allem wirtschaftlichen – Interessen des Unternehmens ORF zu wahren. Der ORF ist Österreichs weitaus größter Medienkonzern, vor allem dank mehr als 700 Millionen Euro pro Jahr aus verpflichtendem ORF-Beitrag unabhängig vom Empfang.

Anlass für die Concordia-Reihe war eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom Oktober 2023: Das Höchstgericht hob einzelne Bestimmungen über die Zusammensetzung des obersten ORF-Gremiums Stiftungsrat und des ORF-Publikumsrats als allzu regierungsnah auf. Bis Ende März 2025 braucht es damit neue Bestimmungen über die Besetzung des Publikumsrats und der von Regierung und vom Publikumsrat bestellten Stiftungsräte, über ihre Abberufung und über ihre Anzahl.

Walter Strobl, Medienrechtsexperte der Concordia
Nur ein Drittel der ORF-Gremien von politischen Institutionen besetzen lassen, rät Concordia-Medienrechtsexperte Walter Strobl.
Concordia Luiza Puiu

Der ORF-Stiftungsrat ist eine Art Aufsichtsrat, er bestellt derzeit mit einfacher Mehrheit alle fünf Jahre Generaldirektor oder Generaldirektorin sowie Management des ORF, beschließt Budgets und die Höhe des ORF-Beitrags, Programmschemata und trifft große unternehmerische Entscheidungen. Der Publikumsrat soll die Gesellschaft repräsentieren, derzeit bestimmen Bundeskanzler oder Medienministerin die Mehrheit in diesem Gremium. Seine wesentlichste Kompetenz ist, derzeit sechs Mitglieder in den Stiftungsrat zu entsenden, der Verfassungsgerichtshof verlangt zumindest gleich viele wie die Bundesregierung – das wären dann neun. Der Stiftungsrat würde damit von 35 auf 38 Mitglieder aufgestockt.

Nur ein Drittel direkte Politikbestellungen

Concordia-Experte Walter Strobl empfiehlt nun – nach internationalen Vorbildern – einen kleineren Stiftungsrat mit höchstens 20 Mitgliedern, wie ihn auch das Aktienrecht vorsieht. Er empfiehlt gesetzlich festgeschriebene Auswahlkriterien und genauer definierte Vorgaben für die Kompetenzen von Mitgliedern sowie klarere Unvereinbarkeitsregelungen. Sitzungsprotokolle des Stiftungsrats sollten öffentlich sein und nur Geschäftsgeheimnisse ausnahmsweise davon ausgenommen werden. Stiftungsräte sollen bezahlt werden und nicht ehrenamtlich arbeiten.

Wer soll den Stiftungsrat beschicken? Höchstens ein Drittel solle "politisch bestellt" werden, sagt Strobl und nennt als Beispiele Nationalrat und Bundesrat. Bisher entsenden Bundesregierung, Bundesländer und Parteien im Nationalrat 24 der 35 Sitze im Stiftungsrat. Die übrigen Mandate im Stiftungsrat solle der Publikumsrat beschicken. Alle Mandate sollen mit Zweidrittelmehrheit im jeweiligen Entsendegremium beschickt werden, sagt der Concordia-Jurist.

Der ORF-Publikumsrat indes solle (von derzeit 30) auf 40 bis 60 Mitglieder vergrößert werden. Hier soll ebenfalls maximal ein Drittel von politiknahen Organisationen wie Sozialpartnern beschickt werden. Für zwei Drittel sollen – mit konkreten gesetzlichen Vorgaben – repräsentative Organisationen von gesellschaftlichen Gruppen Vorschläge machen. Entweder diese gesellschaftlichen Organisationen einigten sich gemeinsam, wer aus den Vorschlägen in den Publikumsrat einzieht – oder die Mandate werden unter diesen Vorschlägen verlost. (fid, 21.2.2024)