In acht Metern Höhe rauscht alle paar Minuten eine U-Bahn-Garnitur vorbei. Statt Rutsche und Schaukel gibt es mehrere Crosstrainer und Stepper, und auch mit dem Bauchtrainer dürften Sieben- oder Achtjährige nicht wirklich viel Spaß haben. Wobei, das sollen sie auch gar nicht: "Benutzung der Fitnessgeräte ab 14 Jahren und einer Körpergröße von mindestens 140 cm", mahnt eine Hinweistafel auf dem in helleren und dunkleren Grautönen gehaltenen Sportgerät.

Was ein Kinder- und Jugendspielplatz für das Wohnprojekt Korso (im Hintergrund) sein sollte, ist eigentlich ein Outdoor-Fitnesscenter geworden.
Regine Hendrich

Dabei handelt es sich hier unter der U-Bahn-Trasse beim Viertel Zwei in der Leopoldstadt um einen Kinder- und Jugendspielplatz, der laut Wiener Spielplatzverordnung "für Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren zum Spielen im Freien geeignet" sein muss. Aber ein Klettergerüst, wie es Sieben-, Achtjährige so lieben? Fehlanzeige. Ballspielen ist gleich ganz verboten, wegen der U-Bahn. Asphalt und Beton dominieren das Erscheinungsbild, und der zwei Meter hohe Doppelstabzaun, der das alles umgibt.

Nicht betoniert, aber auf gut Wienerisch papierlt fühlen sich deshalb einige Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer im Wohnprojekt Korso von der Entwicklungsgesellschaft Value One. Denn die trostlose Fläche ist "ihr" Kinder- und Jugendspielplatz, der gemäß Wiener Bauordnung in jedem größeren Wohnprojekt ab 50 Wohneinheiten angelegt werden muss.

Eigentlich sollte er aber gar nicht an dieser Stelle sein. Ursprünglich war er auf der östlich angrenzenden Liegenschaft vorgesehen, so steht es in der Baubewilligung vom April 2019. Später hat die Stadt Wien dieses Grundstück aber angekauft, seit 2022 wird hier an der Ganztagesvolksschule Elsa-Bienenfeld-Weg 21 gebaut.

Um vom Wohnprojekt zum Spielplatz zu gelangen, müssen mehrere Grundstücksgrenzen überschritten werden.

Der Spielplatz für die rund 180 Wohneinheiten des Korso, fertiggestellt 2021, wurde verlegt. Er befindet sich jetzt nicht auf demselben Bauplatz wie die Wohnungen, wie es die Bauordnung eigentlich "grundsätzlich" vorschreiben würde, sondern auf einem nicht direkt angrenzenden Grundstück, eben dem unter der U-Bahn. Es wurde den Wiener Linien abgekauft, von einer Gesellschaft der Value-One-Gruppe. Eine Nutzungsvereinbarung erlaubt den Korso-Bewohnern die Benützung – explizit "bis auf Widerruf", im Rahmen eines Servitutsentgelts.

Irrtum im Bescheid

Die spätere Verlegung des Spielplatzes muss bei der Baueinreichung schon klar gewesen sein, ärgern sich die Korso-Bewohner Benjamin Weidenholzer und Hannes Leitner. "Ein Grundstück für unseren Spielplatz hatte hier offenbar keinen Platz." Zudem vermuten sie in der Tatsache, dass im Verlegungsbescheid ein anderes Grundstück genannt wird – nämlich ein tatsächlich benachbartes –, mehr als nur einen Irrtum.

"Benutzung der Fitnessgeräte ab 14 Jahren", steht auf manchem Spielgerät.
Regine Hendrich

Der Schreibfehler werde korrigiert, teilt der Leiter der Wiener Baupolizei, Gerhard Cech, dem STANDARD mit. Aber grundsätzlich entspreche der Spielplatz den gesetzlichen Vorgaben, beteuert er. Die Bauordnung ermögliche es, dass Kinder- und Jugendspielplätze (im Gegensatz zu Kleinkinderspielplätzen, die sich direkt am Bauplatz befinden müssen) "auch als Gemeinschaftsspielplätze für mehrere Bauplätze zusammengelegt werden können, wenn die Herstellung und die Zugänglichkeit des Spielplatzes durch eine im Grundbuch ersichtlich gemachte öffentlich-rechtliche Verpflichtung sichergestellt und er über einen höchstens 500 Meter langen, gefahrlosen Zugang erreichbar ist".

Doch um einen Gemeinschaftsspielplatz handelt es sich hier einerseits gar nicht – jedenfalls noch nicht. Denn auch den späteren kleinen Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnturms Grünblick der Value One, der noch weiter östlich neben der in Bau befindlichen Schule gebaut wird, soll das Areal als bauordnungskonformer Spielplatz dienen. Und zwischen Grünblick und U-Bahn ist noch der Gewerbeturm Weitblick geplant.

"Geht sich nicht aus"

"Die Grundstücke der beiden Hochhäuser sind so dicht bebaut, dass sich ein Kinder- und Jugendspielplatz in der erforderlichen Größe dort nicht ausgeht", räumt Cech ein. Die Bauordnung für Wien sehe in solchen Fällen vor, dass der Spielplatz auch auf benachbarten Grundstücken geschaffen werden kann.

Die 500-Meter-Grenze beim gefahrlosen Zugang ist aber immer einzuhalten, und das erscheint vom Grünblick aus zweifelhaft. Den Bewohnern des Korso ist der zugemutete Umweg zum Spielplatz rund um die bestehende Volksschule Vorgartenstraße herum jedenfalls zu lang. Und er führt übrigens am "riesigen, aber natürlich verschlossenen Spielplatz der Schule" vorbei, erklärt Weidenholzer. Und nicht nur dort: Im Schulgebäude ist auch ein Kindergarten untergebracht, auch dieser hat einen eingezäunten Spielplatz unterhalb der U-Bahn-Trasse, direkt neben dem Korso-Spielplatz – nur schaut dieser auch tatsächlich annähernd so aus, wie man sich einen (Klein-)Kinderspielplatz vorstellt: grüner Rasen, Rutsche, Netzschaukel. Beim Korso-Spielplatz ging das offenbar nicht, aus Gründen, die mit der U-Bahn zu tun haben dürften: Ein breiter Streifen in der Mitte muss jederzeit für "Instandhaltungsarbeiten, Inspektionen, Notfalleinsätze und dergleichen" von den Wiener Linien benützt werden können.

Schlüssel wurden urgiert

Immerhin: Schlüssel haben alle Eigentümer mittlerweile. Das war am Anfang nicht so. Der Spielplatz sei "bei einer Begehung durch die Baupolizei versperrt vorgefunden worden", teilt Cech mit. Die Baupolizei habe sich dann dafür eingesetzt, dass die Wohnungseigentümer die erforderlichen Schlüssel erhalten.

Nur auf die konkrete Ausgestaltung des Spielplatzes habe die Baupolizei keinen Einfluss. Hier könnten die Bewohner "nur versuchen, zivilrechtlich mit der Value One eine Lösung über allfällige Verbesserungen zu finden". Mit dem STANDARD wollte man vonseiten der Value One trotz mehrmaliger Anfragen nicht sprechen. (Martin Putschögl, 5.2.2024)