Eine Studentin sitzt allein in einem Hörsaal.
Immer wieder wird kritisiert, dass es an Universitäten keine unabhängigen Vertrauenspersonen gibt.
imago/Thomas Müller

Es ist ein üblicher Vorgang, wenn man gerade eine wissenschaftliche Abschlussarbeit plant: Studentinnen und Studenten klappern Professor:innen ihrer Uni ab und fragen sie, ob sie ihre Arbeit betreuen oder sie Abschlussprüfungen bei ihnen absolvieren können. Klappt es bei jemandem, steht man in Sprechstunden oder über E-Mail in Kontakt, über offizielle Uni-Adressen.

In einem Fall, über den nun der "Spiegel" berichtete, kontaktierte ein Dozent die Studierende, die bei ihm ihre Abschlussprüfungen ablegen wollte, via Facebook. Bald fragte er auch nach einem Austausch der Telefonnummern, es waren erste Grenzüberschreitungen, heißt es in dem Bericht.

Dieser Kontakt über für diese Konstellation ungewöhnliche Kanäle begann Anfang des Jahres 2020. Später in diesem Jahr wurden der Dozent und die Studentin ein Paar. Sie waren etwa ein Dreivierteljahr liiert – und befanden sich gleichzeitig in einem Hierarchiegefälle. Die Frau war auch als studentische Hilfskraft bei dem Dozenten tätig, er förderte sie. Auf sexueller Ebene passierte während ihrer Beziehung einiges, womit sich Luisa Winkler, so der fiktive Name der damaligen Studentin, die anonym bleibt, nicht wohlfühlte. Darüber hinaus stellte ihr Freund, Dozent und Vorgesetzter ohne ihr Wissen intime Fotos von Winkler auf eine Onlineplattform. Zudem kam es zu sexuellen Handlungen etwa in einer Onlinelehrveranstaltung, bei der Winkler in einem Raum mit dem Dozenten war.

Kein Einzelfall

Rückblickend, erzählte sie dem "Spiegel", sei vieles falsch gewesen und habe bei ihr Unbehagen ausgelöst. Obwohl die Beziehung einvernehmlich war, spricht Winkler heute von Machtmissbrauch. So habe der Dozent bewusst Berufliches und Privates vermischt, habe ihr eine Karriere in Aussicht gestellt und "eine Situation geschaffen, in der Arbeitsaufträge, sexuelle Wünsche und Überstunden miteinander verknüpft gewesen" seien.

Die Frau beschwerte sich nach der Trennung Ende des Jahres 2022 bei der Universität wegen Machtmissbrauchs und sexuellen Fehlverhaltens. Die Recherchen zeigten auch, dass das Fehlverhalten des Dozenten gegenüber der Studentin kein Einzelfall war. Vielmehr habe er sich "im Schutz seines wissenschaftlichen Renommees" viele Entgleisungen leisten können, heißt es in dem Bericht. Und das über mehrere Jahre hinweg.

Die Universität reagierte auf die Vorwürfe und Belege mit der Kündigung des Dozenten. Ihr Beschwerdeverfahren sei im Vergleich zu Verfahren an anderen Unis gut gelaufen, sagt Winkler. Auch an einer anderen Universität, an der der Dozent vorher gearbeitet habe, habe es mehrere Beschwerden gegen den betreffenden Dozenten gegeben, unter anderem wegen sexueller Grenzverletzungen. Es gab ein Angebot zum Gespräch mit dem Beschuldigten – das er allerdings nicht annahm.

Image wichtiger

Probleme solcher Art beschränken sich nicht auf einige wenige Unis. Es gab bisher bereits vermehrt Kritik an Übergriffen und dem Ausnutzen von Hierarchen an Universitäten – von Erniedrigungen über unerwünschte Berührungen bis hin zu unpassenden Einladungen. In Österreich wurden im Jahr 2022 Vorwürfe gegen Lehrende an verschiedenen Instituten der Universität für Musik und darstellende Kunst laut.

In Deutschland wie auch in Österreich wird daher immer wieder Kritik laut, dass es keine Vertrauenspersonen gebe, die von der Universität unabhängig seien. Da Universitäten meist selbst Konflikte lösten, gehe es oft vielmehr um die Wahrung des gutes Rufes einer Institution, anstatt sich um Aufklärung zu bemühen, heißt es im "Spiegel"-Bericht zu universitären Strukturen. (beaha, 23.1.2024)