Im Gastbeitrag fasst Rechtsanwältin Kristina Silberbauer die arbeitsrechtlichen Neuerungen zusammen und gibt einen Einblick, was diese für die Praxis bedeuten.

Richterhammer liegt im Vordergrund, im Hintergrund stehen Rechtsbücher
Einen gesetzlichen Anspruch auf zwei Jahre Elternkarenz gibt es künftig nur noch für beide Elternteile gemeinsam – ausgenommen sind Alleinerziehende.
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Die aktuellen arbeitsrechtlichen Neuerungen sollen großteils die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Schließlich musste die Richtlinie (EU) 2019/1158 vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige in das österreichische Recht umgesetzt werden.

Neuerungen bei Karenz, Elternteilzeit und Pflegefreistellung

Zwei Jahre Elternkarenz gibt es ab 2024 nur mehr für beide Eltern gemeinsam. Der gesetzliche Anspruch auf 24 Monate setzt damit künftig voraus, dass davon jeder Elternteil mindestens zwei Monate übernimmt – ausgenommen sind Alleinerziehende.

Die Elternteilzeit kann nun bis zum Ablauf des achten Lebensjahres des Kindes (statt bisher des siebten) in Anspruch genommen werden. Die Dauer von maximal sieben Jahren bleibt aber gleich – wobei das Beschäftigungsverbot und die Karenzen beider Eltern einzurechnen sind.

Auch die Pflegefreistellung wird geändert. Während der Freistellungsanspruch für die notwendige Pflege bisher auf erkrankte nahe Angehörige beschränkt war, die im gemeinsamen Haushalt leben, reicht es ab jetzt, wenn ein naher Angehöriger pflegebedürftig ist, oder eine Mitbewohnerin bzw. ein Mitbewohner.

Im Gleichbehandlungsgesetz wird zudem klargestellt, dass Diskriminierungen auch im Zusammenhang mit familiären Pflichterfüllungen verboten sind, etwa wegen Elternkarenz, Elternteilzeit, Pflegefreistellungen oder Dienstverhinderung aus bestimmten dringenden familiären Gründen.

Flexiblere Altersteilzeit

Die Altersteilzeit wird flexibilisiert (BGBl. I Nr. 118/2023): Wie bisher muss die Arbeitszeit auf 40 bis 60 Prozent der bisherigen Arbeitszeit reduziert werden. Künftig muss diese Bandbreite aber nicht Woche für Woche eingehalten werden, sondern darf wöchentlich schwanken. Stattdessen kommt es nun auf den Durchschnitt während der gesamten Altersteilzeit an. Die Arbeitszeit muss jedoch in einem Betrachtungszeitraum von sechs Monaten durchschnittlich zwischen 20 und 80 Prozent betragen.

Konkret bedeutet das: Phasen sehr geringer Arbeitsleistung (mindestens 20 Prozent) können dadurch mit intensiven Phasen (maximal 80 Prozent) so kombiniert werden, dass während der Altersteilzeit durchschnittlich 40 bis 60 Prozent der früheren Arbeitszeit gearbeitet werden. Diese Regeln gelten für Altersteilzeitvereinbarungen ab 1. Jänner 2024.

Aber auch für bestehende Altersteilzeitvereinbarungen ändert sich die Berechnung des Lohnausgleichs, also des staatlichen Ausgleichs für die finanzielle Mehrbelastung der Unternehmen. Für die Berechnung wird nur noch auf das Entgelt abgestellt, das den Arbeitnehmenden in den letzten zwölf Monaten vor der Altersteilzeit durchschnittlich gebührte.

Das Modell der geblockten Altersteilzeit, bei der in einer Arbeitsphase Gutstunden aufgebaut werden, um die nachfolgende Freizeitphase zu ermöglichen, wird dadurch ausgedünnt. Dass von 2024 bis 2029 das Altersteilzeitgeld stufenweise bis auf null reduziert wird, macht das Modell zunehmend unattraktiv.

Neue Begründungspflichten für Unternehmen

Firmen werden ab heuer in einigen Fällen verpflichtet sein, sich zu erklären, etwa wenn sie die Vereinbarung einer Arbeitszeitreduktion nach § 14 AVRAG oder einer Pflegekarenz oder -teilzeit ablehnen. Entscheidungen wie diese müssen sie – unaufgefordert – sachlich und schriftlich begründen.

Eine Begründungspflicht für Unternehmen kann auch nach Kündigungen durch den Betrieb eintreten – und zwar, über zeitgerechtes Verlangen der bzw. des Gekündigten. Die Anwendungsfälle sind etwa Arbeitgeberkündigungen im Zusammenhang mit dem Wunsch eines Mitarbeitenden nach Pflegekarenz, Pflegeteilzeit oder aufgeschobener Karenz. Arbeitnehmer:innen müssen die Begründung binnen fünf Kalendertagen ab Kündigungszugang verlangen, Unternehmen müssen dem wiederum binnen fünf Kalendertagen entsprechen.

Die rechtliche Bedeutung dieses Vorgangs hält sich allerdings in Grenzen: Den Betroffenen soll lediglich die Einschätzung erleichtert werden, ob sie gegen ihre Kündigung erfolgreich gerichtlich vorgehen können. Der bzw. dem Gekündigten bleibt aber das Anfechtungsrecht, auch wenn keine Begründung verlangt wurde. Auch bleibt die Kündigung wirksam, wenn keine Begründung erfolgt.

Neu ist schließlich auch, dass in bestimmten Phasen familiärer Anspannung arbeitsvertragliche Ansprüche nicht zur Unzeit verjähren oder verfallen können. In bestimmten Fällen wird nämlich der Ablauf gesetzlicher und (kollektiv-)vertraglicher Verjährungs- und Verfallsfristen gehemmt. In der Praxis bedeutet das: Wer beispielsweise bei Beginn einer Karenz oder Pflegefreistellung noch offene Ansprüche gegen das Unternehmen hat, gewinnt für ihre Geltendmachung etwas Zeit. Verjährungs- oder Verfallsfristen laufen nun erst zwei Wochen nach Ende der Karenz bzw. Pflegekarenz ab. Der Grund: Laut dem Gesetzestext sollen "am ersten Tag nach Rückkehr andere Angelegenheiten im Vordergrund stehen". (Kristina Silberbauer, 8.1.2024)