Astlöcher, Streifen und Maserung sieht man schon aus der Ferne. Wer näher tritt entdeckt an manchen Stellen sogar die Rillen der Säge; und wenn man mit der Hand über die Wand streift, hat man das Gefühl aufpassen zu müssen, dass man sich keinen Schiefer einzieht.

Wien Museum zentrale Halle
In der zentralen Halle des Museums schwebt eine Treppe aus Beton.
Kollektiv Fischka

Doch der Schein trügt. Die Innenwände in der neuen, zentralen Halle des umgebauten Wien Museums sind nicht aus Holz, sondern aus Beton. Und zwar aus einem, der sich warm und weich anfühlt und das durch seine helle Farbe auch optisch vermittelt.

Beton war der Baustoff der Wahl beim Umbau des neuen Wien Museums, das zeigt sich schon von außen. Über dem Altbau von Architekt Oswald Haerdtl schwebt - auch statisch voneinander getrennt - ein Kubus aus Beton, der von Bauarbeitern schon mal Pilzkopf oder Sonnenschirm genannt wurde. Er beherbergt die Sonderausstellung und damit den einzigen Teil des Museums, für den Eintritt bezahlt werden muss. Am 6. Dezember wird eröffnet.

Wien Museum Kubus
Der Kubus schwebt über dem alten Museum, die Bauteile sind statisch voneinander getrennt.
BDOE

Der von der Arge Certov, Winkler+Ruck Architekten geplante Umbau des Museums und vor allem die Baustoffe sorgten von Anfang an für Gesprächsstoff in Wien - vor allem die Fassade, erklärt Wolfgang Salcher vom Bundesdenkmalamt. Die neue Fassade ist dem Original aus dem Jahr 1959 nachempfunden. Zuletzt zierte das Museum jedoch eine Fassade aus den 1980er-Jahren, die schon stark abgebröckelt war. Viele Menschen hätten geglaubt, dies wäre die Originalfassade gewesen und sich beschwert, so Salcher, weil die neue Fassade nun anders aussieht. Dabei wurde sogar Wachauer Marmor aus dem selben Waldviertler Steinbruch wie in den 1950er-Jahren verwendet.

Egal ob Marmor oder Beton - alle Elemente, die das neue Museum zieren, stehen mit sofortiger Wirkung unter Denkmalschutz. Für die beteiligten Unternehmen ist das eine Besonderheit und eine große Ehre, wie etwa Georg Wieder vom Betonfertigteilproduzenten Trepka in Ober-Grafendorf betont. Der aufgesetzte Würfel aus Sichtbeton besteht aus feingliedrig gegossenen Betonflächen und ist von einem Mitarbeiter des Unternehmens mit vertikalen Rillen mit einer Gesamtlänge von zwölf Kilometern versehen worden - per Handarbeit.

Wien Museum Bauarbeiten Porr
So sah die Baustelle des Wien-Museums aus, mittlerweile ist es fertiggestellt.
Porr

Auch was hinter den Wänden liegt, kann sich sehen lassen. Denn diverse Bauteile des neuen Gebäudes wurden bauteilaktiviert. Das heißt, in den Wänden sind Rohre verlegt, die sowohl heizen als auch kühlen - die Energie dafür kommt von 30 Erdsonden. Beton eignet sich hierfür besonders gut, da er Temperaturen lange speichert.

Wände Wien Museum
Sieht aus wie Holz, ist aber Beton, der in unbehandelte Holzschalungen gegossen wurde.
Redl

In der zentralen Halle steht - oder besser gesagt, hängt - ein weiteres Highlight des neuen Museums: eine schwebende Treppe, die ohne sichtbare Stützen darunter auskommt. Statisch sei der Bau eine Herausforderung gewesen, erklärt Stefan Posch von der Porr. Das Stiegenhaus sei auf eine Holzkonstruktion gebaut worden, die später wieder entfernt wurde.

Auch sie ist gefertigt aus dem Beton, der wie Holz aussieht. Die unbehandelten Holzschalungen seien der Wunsch der Architekten gewesen, sie wollten das Handwerk des Zimmerers sehen, wie Posch es ausdrückt. Christof Kunesch von Holcim Beton, dessen Unternehmen den Beton gefertigt hat, erklärt die Besonderheiten des Materials. Es seien viele Experimente nötig gewesen, um den gewünschten Farbton zu erzielen und den Weißzement entsprechend dünnflüssig und die Maserung des Holzes optimal sichtbar zu machen. Beton werde oft versteckt, deshalb sei man besonders stolz, dass er im Wien Museum einen so prominenten Platz einnehmen darf - auch wenn er sich an vielen Stellen als Holz tarnt. (Bernadette Redl, 26.11.2023)