Die Grüne Gemeinderätin Janine Bex.
Dieses Foto wurde im Februar aufgenommen und zeigt Janine Bex mit Baby und Stilltee. Im April gab es eine ähnliche Situation, für die wurde die Gemeinderätin scharf kritisiert.
Innsbrucker Grüne

Um gegen Hass im Netz vorzugehen, braucht man mitunter einen langen Atem. Das zeigt derzeit ein Fall, der im Frühjahr für großes Aufsehen sorgte. Die grüne Gemeinderätin Janine Bex war mit ihrem damals wenige Monate alten Baby in einer Gemeinderatssitzung. Sie hielt ihr Baby auf dem Arm, stillte es – und hatte eine Flasche alkoholfreies Bier vor sich auf dem Tisch stehen, aus der sie trank.

Deshalb gab es einen riesigen Wirbel und harsche Kritik von anderen Gemeinderät:innen (DER STANDARD berichtete). Besonders hart ging Gerald Depaoli von der Partei Gerechtes Innsbruck mit der Politikerin ins Gericht. Er postete auf seiner Facebook-Seite ein Foto von Bex im Gemeinderat, auf dem er sowohl die Bierflasche als auch das Baby von Janine Bex einkringelte. Sein Kommentar: "Ein Bier im Gemeindratssaal und ein Kleinkind, das sogar gestillt wird, hat im Gemeinderat NICHTS VERLOREN. Wo bleibt der Jugendschutz???" Außerdem schrieb er, "zum wiederholten Mal" das Jugendamt informieren zu wollen.

Aufwendiger Rechtsstreit

Janine Bex ging gerichtlich gegen das Posting vor. Nach einer einstweiligen Verfügung, zahlreichen Exekutionsanträgen und einem medienrechtlichen Strafverfahren wurde Janine Bex nun im zivilrechtlichen Hauptverfahren, das am 19. Oktober vor dem Landesgericht Innsbruck verhandelt wurde, erstinstanzlich recht gegeben. Depaoli darf sein Posting und die Kommentare dazu nicht mehr verbreiten, heißt es unter anderem im Urteil, das dem STANDARD vorliegt.

Begonnen hat alles im April. Unter dem Posting von Depaoli sammelten sich im Frühjahr zahllose Hassbotschaften. User:innen schrieben unter das Bild von Bex, das Depaoli gepostet hatte, sie sei "irre", ein "schlampiges Weib" und dass die "grüne Kommunistensippe" "einfach nur widerlich" sei. Erst wollte die Politikerin nicht gerichtlich dagegen vorgehen. Schließlich wandte sie sich doch an die Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD medienrechtlich vertritt sowie prominente Opfer von Hass im Netz, etwa die grüne Klubchefin Sigrid Maurer. Windhager beurteilte das Posting von Depaoli und die Kommentare darunter als ehrenbeleidigend und kreditschädigend. Was folgte, war ein lang andauernder und aufwendiger Rechtsstreit.

Ihre Mandantin wollte anfänglich trotz der "groben Rechtsverletzungen", so Windhager, eine außergerichtliche Einigung, wenn Depaoli die "inkriminierten Behauptungen unverzüglich gelöscht" hätte. Das tat er aber nicht. Für die Hassnachrichten, die daruntergeschrieben worden seien, sei er nicht verantwortlich, argumentierte Depaoli. Und sein Posting zeige nur, was gewesen sei. Um den Druck zu erhöhen, wurde zunächst nur eine einstweilige Verfügung eingebracht, die umgehend erlassen wurde, aber keine Wirkung zeigte. Im Juni brachte Windhager einen Exekutionsantrag ein, dann weitere Strafanträge, bis das Posting und alle Kommentare endlich gelöscht wurden (DER STANDARD berichtete).

Kostenintensiv und aufwendig

Im Hauptverfahren am 19. Oktober ging es nun neben dem Unterlassungsanspruch auch um die Ansprüche auf Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz. Depaoli darf derartige Darstellungen auch künftig nicht mehr verbreiten. Ebenso muss er es unterlassen, die "wörtlichen und/oder sinngleichen Behauptungen zu verbreiten, die Klägerin sei widerlich und/oder ein verlogenes schlampiges Weib und/oder irre und/oder ohne Hirn", heißt es in dem Urteil.

Depaoli wurde außerdem zu einem Schadenersatz für Janine Bex in der Höhe von 5.000 Euro, zur Urteilsveröffentlichung und zum Kostenersatz verurteilt. Gegen diese Urteil kann Depaoli noch Berufung einbringen. Depaoli sowie sein Anwalt Patrick Gaulin wollten sich auf Nachfrage des STANDARD nicht zu dem Fall äußern.

"Es war bisher ein sehr aufwendiges Verfahren", sagt Maria Windhager im Gespräch mit dem STANDARD. Verschiedene Verfahren liefen parallel. Ein Sicherungsverfahren, ein Exekutionsverfahren, ein medienrechtliches Verfahren, "allein zu verstehen, was gerade alles läuft, ist für Betroffene schwer", sagt Windhager.

Doch hätte der Kampf von Betroffenen von Hass im Netz durch Teile der neuen Gesetzgebung nicht leichter werden sollen? "Bei dem Hassbekämpfungsgesetz ist es vor allem darum gegangen, dass man möglichst rasch Ansprüche durchsetzen kann", erklärt Windhager. Langwierig, zeit- und kostenintensiv wird es aber, wenn die Gegenseite den Aufträgen einfach nicht nachkommt.

Allein die Vorfinanzierung sei bei Fällen von Hass im Netz oft sehr hoch, und selbst wenn man vor Gericht erfolgreich ist, deckt der zugesprochene Kostenersatz meistens nicht den tatsächlichen Aufwand, vorausgesetzt der Gegner ist überhaupt zahlungskräftig. Der zugesprochene Schadenersatz werde daher im Regelfall zur Abdeckung der Kosten benötigt. Es gehe bei diesen Fällen zunächst vor allem um die Beurteilung dessen, den Sachverhalt, also das, was passiert ist, zu dokumentieren – und das sei sehr aufwendig. "Auf Social Media passiert auf vielen Plattformen gleichzeitig etwas", so die Medienanwältin. Alles zu erfassen und den gesamten Shitstorm zu beobachten, das erfordere eine intensive Medienbeobachtung. Und dafür gibt es keinen Kostenersatz.

Langer Atem nötig

Das Hass-im-Netz-Gesetz habe allerdings bewirkt, dass es mehr Bewusstsein für die Problematik und die große psychische Belastung von Betroffenen gibt. Da habe sich etwas getan, sagt Windhager, "die Gerichte haben deutlich mehr Verständnis und bemühen sich, schnell zu entscheiden".

Was dieses Verfahren jedenfalls zeige: Wer den Kampf gegen Hass im Netz und Diffamierung aufnimmt, muss einen langen Atem und gute Nerven haben, sagt Windhager.

Auch die gesellschaftspolitische Polarisierung habe zugenommen, deshalb seien solche Fälle zu einem Kampffeld geworden. Vor allem für Privatpersonen, die keinerlei Öffentlichkeit für ihre Verfahren bekommen, sei das eine große Belastung. Gerade deshalb hält es Windhager für besonders wichtig, Musterverfahren zu führen, um die "rote Linie immer wieder nachzuziehen" und ein Zeichen gegen Hass im Netz zu setzen. Sonst verroht die öffentliche Auseinandersetzung noch mehr. (Beate Hausbichler, 16.11.2023)