Zwanzig Jahre lang umkämpft und umstritten, geht die Neubebauung der Kometgründe in Wien-Meidling, gleich neben dem U4-Center, in die finale Phase. Stolz führt Architekt Peter Podsedensek durch die riesige Halle im Erdgeschoß, die demnächst zum neuesten Wiener Einkaufszentrum werden wird. 10.000 Quadratmeter sind für Geschäfte und Gastronomie reserviert, Ankermieter werden Müller und Billa Plus sein. Die Rolltreppen sind schon eingebaut, aber beim Besuch des STANDARD noch in Plastik verpackt. Über den Verkaufsräumen entstehen rund 22.000 Quadratmeter an Büroflächen, ein Hotel mit 265 Zimmern, betrieben von der deutschen H2-Gruppe, und in einem weiteren Bauteil 166 Mietwohnungen. Der gläserne Turm, der die Büros und die Hotelzimmer enthält, ist bereits weithin sichtbar: Er ist 60 Meter hoch.

Der Turm des
Der Turm wurde letztlich "nur" 60 Meter hoch. Rechts ein Blick in das noch nicht fertige Einkaufszentrum im Erdgeschoß.
Putschögl

Und er war lange umstritten (und ist es wohl auch weiterhin). Ursprünglich hätte hier sogar ein 120-Meter-Turm errichtet werden sollen, so lauteten jedenfalls die ersten Pläne. Dass es letztlich nur 60 Meter wurden, ist einerseits einem Kompromiss mit den Welterbe-Wächtern von der Unesco geschuldet, andererseits auch einer Bürgerinitiative, die sich schon vor fast 20 Jahren gebildet hat und vor allem den Turm vehement bekämpfte.

Die "Farce eines Wettbewerbs"

Gerhard Hertenberger ist Teil dieser Bürgerinitiative. Die ganze Genese des Projekts hat er aus seiner Sicht auf deren Website ausführlich dokumentiert, die Eckdaten seien hier in aller Kürze aufgezählt: Eine gewisse HPD Holding schrieb 2004 einen Architekturwettbewerb aus, den Architekt Podsedensek gewann. Für die Grünen war das damals die "Farce eines Wettbewerbs", denn Podsedensek hatte dasselbe Projekt ein Jahr zuvor als Geschäftsführer der HPD Holding (aus der er sich dann zurückzog) im SPÖ-Rathausklub präsentiert. Eine harte Auseinandersetzung in der Stadtpolitik war die Folge. Neben der Turmhöhe waren vor allem die Auswirkungen des Einkaufszentrums auf die nahe Meidlinger Hauptstraße und das Verkehrsaufkommen großes Thema. Denn das Areal liegt zwar direkt an der U4-Station Meidling, aber auch direkt an der vielbefahrenen Westeinfahrt.

2008 wurde dennoch umgewidmet. Bis der Bauwerber, das war dann de facto wieder Podsedensek, alle Grundstücke erworben hatte, dauerte es aber bis 2014. Neben mehreren kleineren Häusern standen auf dem Areal auch zwei gründerzeitliche Häuser, in einem davon war das Möbelhaus Komet eingemietet, das 1999 in Konkurs ging. Daher rührt auch der Name des Projektgebiets. Wer sich alte Fotos der Liegenschaft anschaut, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Das reichlich verzierte Gründerzeithaus war großflächig mit Blechen verkleidet, auf ihnen prangte der Komet-Schriftzug. Nur die Erker waren frei.

Das alte Komet-Möbelhaus in Wien-Meidling auf einem Archivbild.
Das Komet-Möbelhaus in Meidling meldete im Jahr 1999 Konkurs an.
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Auch das Nebenhaus war ein Gründerzeithaus, aber ein bewohntes. Jahrelang wurde daran gearbeitet, es leer zu kriegen. "Die Bewohner bekamen teils astronomische Ablösen", erinnert sich Anrainer Hertenberger. Dann wurde abgerissen.

Rechtliche Auseinandersetzungen

Allerdings war die Hochhauswidmung von 2008 nur auf fünf Jahre befristet. Für die Bürgerinitiative – und nicht nur für die – stellte sich deshalb im Oktober 2013, als zwar eine Baugenehmigung vorlag, aber noch immer nicht gebaut wurde, die Frage, ob die Widmung nicht erloschen sei. "Vonseiten der Planungsabteilung hieß es dann aber, dass mehr oder weniger auch die Absicht zählt, dass man ein Projekt realisieren will", sagt Hertenberger. Die Absicht war aus der beantragten Baugenehmigung erkennbar. Damit waren die rechtlichen Auseinandersetzungen aber noch nicht erledigt: Es folgten eine neue Projekteinreichung, dann schon unter dem Namen Vio Plaza, die Aufhebung einer Baugenehmigung durch den Verfassungsgerichtshof und wieder eine neue Einreichung, diesmal auch mit einem Anteil an Wohnungen.

Bis Anfang 2020 hat es gedauert, bis wirklich an dem Komplex gebaut werden konnte, weil alle Rechtsmittel der Projektgegner ausgeschöpft waren. Kurz zuvor wurde das Projekt an die Raiffeisen-Oberösterreich-Tochter Real-Treuhand verkauft. Diese will es in den nächsten Wochen fertigstellen und den Mietern übergeben. Die Büros sind fast vollständig vergeben, auch die Verwertung der Geschäfte ist weit fortgeschritten. Schon werden die ersten Hotelzimmer besenrein gemacht, das Hotel wird voraussichtlich zu Ostern aufsperren. Und der Vertrieb der 166 Wohnungen wird demnächst starten, eine Musterwohnung wird eingerichtet. Sie werden allerdings nur befristet vermietet.

Was die Energieversorgung betrifft, verweist der Architekt auf eine Kühlung, die zu 100 Prozent aus dem Wien-Kanal gespeist wird, ansonsten ist das Haus ans Fernwärmenetz angeschlossen. Es gibt Photovoltaik auf dem Dach und Bauteilaktivierung. Und der Wiental-Radweg, der durch das Areal verlief, wurde vor dem Baustart auf Kosten des Bauwerbers auf die andere Seite des Wienflusses verlegt.

Turm wurde "kleiner und dicker"

Von dort betrachtet, wirken die Baukörper plump und ziemlich aus der Zeit gefallen. "Städtebaulich vertretbar, architektonisch aber nicht zeitgemäß", liest man auch in manchen Onlineforen, in denen darüber diskutiert wird. Vergleiche mit dem Wien-Mitte-Komplex werden oft gezogen, wo am Ende auch so lange umgeplant wurde, bis ein völlig zusammengestauchter Komplex herauskam.

"Kleiner und dicker" wurde auch der Turm des Vio Plaza im Zuge der Umplanungen, sagt auch Hertenberger. Der ursprüngliche Turm wäre wesentlich schlanker gewesen. Auch Podsedensek selbst weist auf notwendig gewordene Abstriche in architektonischer Hinsicht hin: Von oben betrachtet hat der Turm die Form zweier Halbkreise, die ineinandergreifen. "Einer davon hätte höher werden sollen als der andere", sagt der Architekt. Das sei aber schließlich "aufgrund von unverständlichen Maßnahmen und Einschätzungen der Politik", wie er sagt, nicht möglich gewesen. Jetzt schließen beide Halbkreise auf derselben Höhe ab.

Und die Anrainerinnen und Anrainer? Sie haben resigniert und mussten anerkennen, dass mit dem Bau nun Fakten geschaffen wurden. Manche von ihnen sind aber auch gar keine mehr: "Einige Leute sind weggezogen", sagt Hertenberger. (Martin Putschögl, 31.10.2023)