Gesellschaftlich notwendig Arbeit wie die Pflege muss aufgewertet werden, fordert Katharina Mader.
Gesellschaftlich notwendige Arbeit wie die Pflege muss aufgewertet werden, fordert Katharina Mader.
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Karrierebremse Karenz, weniger Aufstiegschancen durch Teilzeitarbeit oder Diskriminierung wegen geringerer Verfügbarkeit aufgrund von Kinderbetreuungspflichten: Mutterschaft gilt noch immer als die vorrangige Hürde auf dem Weg zu Lohngerechtigkeit. Heuer fällt der Equal-Pay-Day auf den 31. Oktober. Berechnet wird er auf Basis von Zahlen der Lohnsteuerstatistik der Statistik Austria.

Eine vom arbeitnehmernahen Momentum-Institut durchgeführte Analyse hat sich näher mit dem "Motherhood-Gap", also der Lohnlücke zwischen Müttern und Vätern, beschäftigt. Mutterschaft spielt demnach eine untergeordnete Rolle, denn die Lohnlücke zwischen Vätern und allen Frauen, mit oder ohne Kind, ist in etwa gleich groß. Insgesamt beträgt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen laut Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat 18,8 Prozent bei den Bruttostundenlöhnen.

Ausgangspunkt für die Analyse war die kürzlich mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnete Arbeit der US-Ökonomin Claudia Goldin. Sie begründet die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen mit drei Faktoren: der "Mutterschaftsstrafe", weil Mütter in Karenz gehen und unbezahlte Sorgearbeit verrichten; dem "Preis dafür, eine Frau zu sein", also der schlechteren Bezahlung allein aufgrund des Geschlechts; und der "Vaterschaftsprämie", denn Vaterschaft wirkt sich positiv auf das Einkommen aus.

Überstunden von Vätern

"Arbeitgeber:innen nehmen noch immer an, dass ein Mann eine Familie ernähren muss – und deshalb mehr verdienen muss", erklärt Katharina Mader, Ökonomin beim Momentum-Institut, die Vaterschaftsprämie. Dabei geht es aber nicht nur um eine von Arbeitgeber:innen zugeschriebene Rolle, sondern auch die Männer selbst übernehmen dieses Rollenverständnis. So machen etwa junge Väter laut Studien die meisten Überstunden.

Die Analyse zeigt jedenfalls, dass Vaterschaft für das Einkommen von Männern kein Nachteil, sondern sogar ein Vorteil ist. So verdienen etwa Männer mit Pflichtschulabschluss 99 Prozent des Gehalts von Männern mit Kindern, deutlich höher wird der Unterschied zwischen Vätern oder Nichtvätern bei Männern mit Uni- oder FH-Abschluss. Hier verdienen Nichtväter nur 79 Prozent des Gehalts der Väter.

Gender-Pay-Gap: Mutterschaft spielt untergeordnete Rolle
Gender-Pay-Gap: Mutterschaft spielt laut Analyse des Momentum-Instituts eine untergeordnete Rolle.
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Die größte Gehaltsdifferenz haben Frauen – egal ob mit oder ohne Kind – gegenüber Männern mit Kindern mit Hochschulabschluss.

Auch haben die Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Mütter Auswirkungen auf Frauen ohne Kinder. Denn Arbeitgeber:innen nehmen Frauen oft noch immer als potenzielle Mütter war. Sprich: Sie gehen davon aus, dass eine Frau früher oder später Mutter werden würde. Der Ausbau der Kinderbetreuung und die Umverteilung der unbezahlten Care-Arbeit spielen laut Mader deshalb eine wichtige Rolle. So könnten sich Rollenstereotype wandeln, und Männer hätten quasi den gleichen Wettbewerbsnachteil wie Frauen – "das würde schon etwas verändern", sagt Mader.

Männer in bestbezahlten Bereichen

Die Analyse des Momentum-Instituts führt auch das Geschlechterverhältnis in den unterschiedlichen Branchen an: Männer sind in den bestbezahlten Branchen überrepräsentiert, Frauen hingegen in den Niedriglohnbereichen.

Im Bereich "Geschäftsleitung und Vorstände" arbeiten zu 79 Prozent Männer – mit einem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 51,4 Euro. 41,4 Euro sind es bei Führungskräften bei Dienstleistungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie – in diesem Bereich sind 80 Prozent der Beschäftigten Männer. Völlig anders sieht es im Bereich Kinderbetreuung aus: 92 Prozent der dort Beschäftigten sind Frauen – sie verdienen durchschnittlich 15 Euro pro Stunde. 60 Prozent der Verkaufskräfte sind Frauen, mit einem Verdienst von 14,7 Euro. Als Friseur:innen und Kosmetiker:innen arbeiten zu 88 Prozent Frauen, mit einen Bruttostundenlohn von 12,5 Euro.

Frauen dominieren die schlecht bezahlten Branchen.
Frauen dominieren die schlechtbezahlten Branchen.
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Deshalb seien nicht nur Kinderbetreuung und die Teilung der Sorgearbeit wichtig, sondern etwa auch eine "anständige Lohntransparenz", sagt Mader. Es müsse Sanktionen für Betriebe geben, die keine Berichte vorlegen, und sie müssten auch für kleine Betreibe verpflichtend sein, nicht erst ab 150 Beschäftigten – "gerade in Österreich, wo es vor allem kleine und mittlere Betriebe gibt". Auch diverse Verschwiegenheitsklauseln müssten weg.

Wichtig für die Schließung der Lohnschere sei auch eine Aufwertung typischer Frauenberufe, die "gesellschaftlich nötig sind", sagt Mader. "Wir werden Frauen als Gruppe nicht automatisch besser bezahlen, wenn wir sie alle in Mint-Berufe bringen", sagt die Ökonomin. Historisch habe sich gezeigt, dass Branchen schlechter bezahlt werden, sobald vermehrt Frauen darin arbeiten. "Frauen am Arbeitsmarkt herumzuschieben, dadurch wird sich strukturell nichts ändern." (Beate Hausbichler, 30.10.2023)