Gastbeitrag: Martina Ernst

Schachbrett mit Spielfiguren
Damit die Gehaltsverhandlung erfolgreich ist, gilt es einige Spielregeln zu beachten.
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In der Regel werden im Spätsommer und Herbst die Gehaltsbudgets für das nächste Geschäftsjahr geplant. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte man sich mit seiner Führungskraft einen Termin ausmachen, wenn man der Meinung ist, dass sich im neuen Jahr etwas beim Gehalt bewegen sollte – zusätzlich zur kollektivvertraglichen Regelung.

Vielleicht ist ja der eigene Verantwortungsbereich seit der letzten individuellen Gehaltsanpassung deutlich größer geworden? Man leitet ein wichtiges Projekt oder hat die Betreuung bedeutender Kundinnen übernommen? Oder man ist mittlerweile sogar für andere Kolleginnen verantwortlich? Alles gute Gründe für einen gesteigerten Marktwert, der auch intern honoriert werden sollte. Wenn nicht mit einer individuellen Gehaltserhöhung, dann klappt es vielleicht mit einem Bonus.

Sollte der eigene Verantwortungsbereich gleich geblieben sein, dann muss man sich auf jeden Fall die eigene erbrachte Leistung und die seines Teams anschauen und den Vorgesetzten in Erinnerung rufen, welchen Mehrwert man bisher für die Firma geleistet hat. Denn Unternehmen, die am Ende des Geschäftsjahres Boni ausschütten, machen oft die Zahlung an der Leistung der Teams oder einzelner Mitarbeitenden fest. Vielleicht konnte man die Qualitätsstandards deutlich verbessern, einen mühsamen Prozess für alle vereinfachen oder wichtige Kundinnen dazugewinnen.

Engagement entlohnen

Wieso sollten sich die Mitarbeitenden überhaupt die Mühe machen, ihren Vorgesetzen den gestiegenen Verantwortungsbereich oder den geleisteten Mehrwert in Erinnerung zu rufen? Warum der ganze Aufwand: Schließlich ist es die ureigenste Aufgabe einer Führungskraft, die Mitarbeitenden zu fordern und zu fördern – und dazu gehört nun einmal die Anerkennung der Leistung und eine marktübliche Entlohnung. Und wer verkauft sich schon gerne selbst?

Leider zeigt die Realität allzu oft ein anderes Bild: Da wird die Mitarbeiterin, die sich zur Jahresmitte in den Mutterschutz verabschiedet hat, bei der Bonuszahlung im Folgejahr schlicht vergessen – als hätten sie nie im Unternehmen gearbeitet. Die Mitarbeitenden, die am lautesten aufschreien, schneiden oft besser ab – und besonders günstig trifft es in vielen Fällen die, die auch privat mit der Führungskraft befreundet sind oder eine wichtige ranghöhere Sponsorin im Unternehmen haben. Wer ganz still und fleißig nur seinen Beitrag leistet, wird oft einfach übersehen. Ob sich Unternehmen diese Vorgehensweise in einem Arbeitnehmerinnenmarkt mit akutem Arbeitskräftemangel künftig noch leisten können?

Transparenz statt Tabu

Die neue EU-Richtlinie zu Gehaltstransparenz und Equal Pay vom Mai 2023 wird zwar erst in drei Jahren schlagend, und trotzdem ist die Richtung klar: Gleiches Gehalt für gleiche Funktion mit vergleichbarer Leistung kann eingefordert werden, und künftig liegt die Beweislast bei der Arbeitgeberin. Und wenn man als Unternehmen diese Transparenz ernst nimmt, dann ist es ratsam, mit seinen Teams gemeinsam über Faktoren zu sprechen, die die Gehaltsfindung beeinflussen – oder sie im Idealfall sogar gemeinsam zu definieren.

Was ist so schlecht daran, wenn Mitarbeitende verstehen, welche Gehälter für welche Funktionen am Markt gezahlt werden, wann und wofür es Gehaltserhöhungen oder Bonuszahlungen gibt, und wie die Firma damit umgehen will, dass man den Neu-Einstiegen womöglich deutlich mehr zahlen muss als den bestehenden Mitarbeitenden. Eine schrittweise Anpassung der engagierten bestehenden Belegschaft ist sicher viel günstiger, als die Suche und Einarbeitung neuer Personen – ganz zu schweigen vom Know-how-Verlust bei hoher Fluktuation.

Verantwortung übernehmen

"Ich würde dir so gerne mehr Gehalt zahlen, aber die Personalabteilung lässt mich nicht" – Sätze wie dieser sind ein absoluter Klassiker vieler Führungskräfte, wenn es darum geht, den Wunsch nach einer Gehaltserhöhung von sich zu weisen. Aber Achtung: In den meisten Fällen ist HR zwar für die grundlegenden, unternehmensweiten Rahmenbedingungen in puncto Gehaltsprozesse zuständig, aber wer tatsächlich mehr oder weniger bekommt, entscheidet de facto fast immer die direkte Führungskraft.

Und damit kommen wir zu einem ganz heiklen Punkt, der beim Thema Gehalt oft übersehen wird. Als Führungskraft Farbe bekennen und ein klares Feedbackgespräch führen heißt in erster Linie: sich Zeit nehmen, nachvollziehbare, transparente Ziele zusammen mit den Teams definieren, das Engagement seiner Mitarbeitenden als Team- und Einzelleistung kennen, wertschätzen und gemeinsam besprechen.

Und was spricht dagegen, diesen Prozess weitestgehend im Team zu gestalten, denn die Zeiten, in denen die Führungskräfte wie "einsame Wölfe" alle Entscheidungen alleine treffen mussten, sind längst vorbei. Viele Start-ups und kleinere Unternehmen leben längst eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in Gehaltsfragen vor – und dieses Thema ist sicher nicht ein Grund für ihren wirtschaftlichen Erfolg bzw. Misserfolg – im Gegenteil, es fördert ein Miteinander auf Augenhöhe und ermöglicht viel eher den Dialog über wirtschaftlich notwendige Maßnahmen im Unternehmen. (Martina Ernst, 24.8.2023)