Junge Frau die abgenommen hat. Weiße Linien zeichnen eine fülligere Silhouette
Von einem schlanken Körper täumen viele. Das Medikemant Wegovy soll dabei helfen diesem Traum ein Stückchen näher zu kommen.
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Eine "Botox-Party" in Wien: Anlass der Veranstaltung ist die Präsentation neuester Beautytrends aus Hollywood. Das größte Thema: Abnehmen. Die Gastgeberin und ehemalige Miss Austria, Carmen Knor, stellt die Frage an das versammelte Seitenblicke-Publikum: "Wer von euch hat schon mal eine Diät gemacht?" Fast alle im Raum zeigen auf. Es folgt die Nachfrage: "Und wie vielen ist es gelungen, die Figur zu halten?" Schlagartig gehen fast alle Hände nach unten. Heute soll das uralte Problem gelöst werden: Man habe etwas Besonderes mitgebracht, mit dem schon viele Patientinnen und Patienten Abnehmerfolge gehabt hätten.

Die Rede ist von dem Medikament Ozempic, auch bekannt unter dem Namen Wegovy. Aktuell sei es das meistgewählte Abnehmprodukt am Markt, wird berichtet. Es beinhaltet den Wirkstoff Semaglutid, der die Wirkung der Inkretine nachahmt. Das sind körpereigene Hormone, die im Zuge der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet werden und den Blutzuckerspiegel senken. Der Wirkstoff ist bei beiden Produkten derselbe, nur die Dosierung unterscheidet sich. Ozempic ist für den Einsatz bei Diabetikern zugelassen. Unter dem Namen Wegovy steht das Medikament in einer höheren Dosierung für Adipositas-Betroffene zur Verfügung, derzeit ist es nur in den USA zugelassen. In Europa steht es kurz vor der Markteinführung.

14 Kilo in sieben Monaten

Der plastische Chirurg Christian Wolf, medizinischer Experte des Events, erklärt im Plauderton: "Dabei handelt es sich um ein Medikament aus der Diabetesbehandlung. Der Beautymarkt ist aber schlau genug, auf diese Schiene aufzuspringen." Er setze das Medikament in seiner Praxis bereits seit zweieinhalb Jahren ein, mit uneingeschränktem Erfolg. Man spritze es einmal pro Woche, das Semaglutid wird mit Depotwirkung verzögert freigesetzt. Konservativ geschätzt könne man damit zehn bis 15 Prozent des Körpergewichts verlieren. "Aber Patienten haben auch schon bis zu 30 Prozent abgenommen", sagt Wolf. Der Jo-Jo-Effekt sei überschaubar, meint er. "Wenn man das Medikament ein halbes Jahr anwendet und den Lebensstil ändert, sich gesünder ernährt, mehr Sport macht, kann das Motivation genug sein, das auch ohne das Medikament weiterzuführen und so das Gewicht zu halten."

Tatsächlich sind die Erfolgsberichte beeindruckend. "An dem Tag, als ich das Mittel zum ersten Mal gespritzt habe, bin ich mit meiner Frau in ein gutes Lokal essen gegangen. Und ich konnte die Hauptspeise nicht aufessen. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, wirklich satt zu sein", berichtet etwa Martin P. (Name der Reaktion bekannt). Damals, im Herbst 2022, wog er 98 Kilo bei 178 Zentimeter Größe. Innerhalb von sieben Monaten nahm er 14 Kilo ab – er ist übrigens kein Patient von Wolf und wendete ein Vorgängerprodukt mit dem gleichen Wirkstoff in geringerer Dosis an. Es hat den Markennamen Saxenda und wird täglich mit einem Pen verabreicht.

Für Martin P. war der Abnehmerfolg ein kleines Wunder: "Ich habe 20 Jahre lang versucht, Gewicht zu verlieren. Es ist mir zeitweise auch gelungen, aber da habe ich sechsmal pro Woche mit einem Personal Trainer gearbeitet." Sein Ausgangsgewicht ergab einen Body-Mass-Index (BMI) von 30,9, damit fällt der Wiener genau in die Zielgruppe für das Medikament: Personen mit Diabetes, Menschen mit einem BMI über 30 oder einem BMI über 27 und einer Begleiterkrankung. Nach einem Gesundheitscheck inklusive Blutuntersuchung startete er, seither hat sich nicht nur das Gewicht deutlich verringert, auch seine Blutwerte sind besser geworden. Nebenwirkungen spürt er keine. Das ist aber nicht bei allen so.

Auch Celebritys spritzen

Die häufigste Nebenwirkung ist Übelkeit, von der sind 20 bis 30 Prozent der Anwendenden betroffen. Das kann bis zu Bauchschmerzen und Erbrechen führen. Im Mausmodell gibt es außerdem Hinweise, dass es bei Langzeitgebrauch zu Entzündungen der Bauchspeicheldrüse kommen könnte. Und die Amerikanische Food and Drug Administration (FDA) warnt davor, dass eine der möglichen Nebenwirkungen Schilddrüsenkrebs sein könne. Trotzdem gibt es vor allem in den USA einen Run auf das Mittel, mittlerweile wird von Engpässen in der Versorgung berichtet. Der Hype ist so groß, dass der Hersteller vorübergehend die Ausgabe für neue Anwender, die nicht den Verschreibungskriterien entsprechen, beschränkt hat, weil er mit der Produktion nicht nachkommt.

Ausgelöst wurde diese Begeisterung auch von Celebritys. Die Liste jener, denen man die Anwendung nachsagt, reicht von Kim Kardashian über Talkmasterin Oprah Winfrey bis zu Sängerin Adele. Dass sie damit erfolgreich schlanker wurden, weiß man von Elon Musk oder Sharon Osbourne. Doch während Musk auf Twitter von dem Medikament schwärmte, hat Osbourne sich zuletzt kritisch darüber geäußert. Die 70-Jährige habe damit zwar knapp 14 Kilo abgenommen, berichtete sie, doch sei ihr dabei die gesamte Zeit übel gewesen. Nachvollziehbar, da Osbourne kein wesentliches Übergewicht hatte. Und die Übelkeit tritt laut Berichten umso stärker auf, je geringer das Ausgangsgewicht ist.

Elon Musk steht vor einem Bild eines seiner Tesla-Modelle und hält ein Mikrofon in der Hand.
Elon Musk ist überzeugt von der Wirkung der Fett-weg-Spritze
APA/AFP/STR

Diese Berichte sollen nicht das Mittel per se diskreditieren. Prinzipiell handle es sich um ein sehr gutes Medikament, sagt Johanna Brix, Internistin und Präsidentin der Österreichischen Adipositas Gesellschaft (ÖAG). Vor allem, weil es das "Craving" dämpfe, den Heißhunger, unter dem viele Übergewichtige leiden. Doch wie jedes Medikament habe es natürlich Nebenwirkungen – und es stellt sich die Frage, ob man diese ohne medizinische Notwendigkeit in Kauf nehmen will.

Nebenwirkung "Ozempic-Face"

Das dürften in Wolfs Praxis doch einige tun – auch wenn Übergewicht bei vielen eine Rolle spielt. "Ihnen geht es in erster Linie um Körperformung durch Fettabsaugung oder Abnehmen. Zweiteres schaffen viele aber nicht." Das Mittel ist für ihn eine gute, nichtinvasive Alternative. "Die Fettabsaugung erledigt sich dann bei den meisten. Wir untersuchen die Eignung der Patientinnen und Patienten vorab, kontrollieren laufend Blutwerte und Organe. Da haben wir auch schon bei einigen Prädiabetes entdeckt." Wolf empfiehlt den Einsatz auch nur für einen begrenzten Zeitraum.

Ob der Gewichtsverlust bleibt, wenn man das Mittel wieder absetzt, ist fragwürdig. Denn dann kommen das normale Hungergefühl und auch ein mögliches Craving wieder, berichten viele Anwendende. Aus den USA hört man auch von einer weiteren, ästhetischen Nebenwirkung: dem "Ozempic-Face". Damit sind ein hängendes Gesicht und älteres Aussehen gemeint. Es entsteht durch den sehr raschen Gewichtsverlust. Womit es mit der Hollywood-Beauty nicht mehr weit her ist. (Pia Kruckenhauser, 8.6.2023)