Rund zwei Drittel der Alkoholsüchtigen in Österreich sind Männer, ein Drittel sind Frauen. Letztere trinken aber immer mehr.
Foto: Getty Images, Marjan_Apostolovic

Hand auf die Leber: Steht bei Ihnen in der Firma auch Alkohol im Kühlschrank? Zwitschert ein Kollege auch schon in der Mittagspause ein Bierchen? Kommt eine Mitarbeiterin öfter zu spät, ist unausgeschlafen, oder passieren vermehrt Fehler? Das könnten Indizien für eine Alkoholsucht sein. Diese Verhaltensweisen einfach zu ignorieren wäre fatal – für die Person selbst und das restliche Team. Es gilt die Augen nicht nur auf die Männer zu richten: Auch Frauen trinken vermehrt. Was also tun, wenn ein Verdacht auf Alkoholsucht im Team besteht?

Wer in Österreich am meisten trinkt

In Österreich erkranken rund zehn Prozent der Bevölkerung an einer Alkoholsucht. Rund eine Million Berufstätige haben einen problematischen Konsum und sind damit gefährdet. Das ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine hohe Zahl. Erwerbstätige zwischen 40 und 54 Jahren haben am häufigsten einen bedenklichen Alkoholkonsum oder eine Sucht.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Der Konsum von Alkohol stagniert seit Jahren. Allerdings nimmt der relative Anteil der trinkenden Frauen deutlich zu. Das heißt, Männer trinken weniger, Frauen mehr. "Das hängt auch mit der Emanzipation und Gleichberechtigung der Frauen zusammen", sagt Ursula Zeisel, psychosoziale Leiterin des Suchtberatungsvereins Dialog in Wien.

Frauen trinken immer mehr

Das hat mit dem stereotypen Bild von Frauen zu tun, das aber langsam aufgebrochen wird: Frau muss schön sein, sich anständig verhalten, gesundheitsbewusst leben, auf sich achten, also am besten perfekt sein – als Mutter und Angestellte. Wehe, dieser Doppelbelastung hält frau nicht stand. Diese Muster durchbrechen Frauen zunehmend und eignen sich auch Verhaltensweisen der Männer an, wie zum Beispiel das Trinken.

Um lockerer in sozialen Situationen zu sein, um die eigenen Probleme zu verdrängen, um zu entspannen oder die Stimmung zu heben, trinken Frauen Alkohol. Eine Angleichung nun also auch im Alkoholkonsum – ist das denn so schlecht?

Leider ja. Denn die körperlichen Schäden durch Alkohol sind für Frauen stärker. Ihr Körper hat genetisch bedingt einen geringeren Wasseranteil im Vergleich zu Männern. So gelangen die Promille eher und in höherer Konzentration ins Blut. Frauen sind dadurch schneller betrunken. "Alkohol kann Organ- und Nervenschäden hervorrufen", erklärt Lisa Wessely, Leiterin der Suchtprävention des Vereins Dialog.

Anzeichen einer Alkoholsucht

Kann man ohne Alkohol nicht mehr einschlafen, trinkt schon früh am Tag oder öfter exzessiv und ist grantig, wenn kein Alkohol erreichbar ist: Spätestens dann sollten alle Alarmglocken klingeln. Denn dann ist eine Abhängigkeit erreicht.

Während der Corona-Pandemie ist vielen Paaren erst aufgefallen, wie viel der oder die andere trinkt. Das erlebten die beiden Frauen des Vereins Dialog bei ihrer Beratungsarbeit. Und da Bier und Wein fest zur österreichischen Kultur gehören und sie zu jedem sozialen Event angeboten werden, ist es für Alkoholsüchtige besonders schwer, abstinent zu sein oder weniger zu trinken.

Wie man ein Alkoholproblem anspricht

Was tun, wenn man als Führungsperson einen Verdacht auf Alkoholsucht bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin hat? "Unbedingt thematisieren", rät Zeisel. Wichtig ist, die Person nicht mit einer Vermutung zu konfrontieren, sondern zu sagen, was einem auffällt. Das kann zum Beispiel das Zuspätkommen sein.

Führungspersonen sollten Betroffenen den Arbeitsplatz zusichern. Das ist wichtig, damit sich eine Verhaltensänderung für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter lohnt. Ein weiterer Tipp ist, sich einen Folgetermin auszumachen. Bei diesem kann die Person dann beispielsweise beweisen, sich professionelle Hilfe geholt zu haben.

Aber Achtung: Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Reaktion der angesprochenen Person positiv ist. Alkoholkranke reagieren oft abweisend oder bagatellisierend. Trotzdem sollte man sich trauen, die Beobachtungen anzusprechen. Denn ein Hinweis von außen kann der entscheidende Anreiz sein, sich Hilfe zu holen. Beratung anzunehmen ist wichtig, denn man muss nicht alles allein schaffen. (Natascha Ickert, 5.3.2023)