Patricia (li.) und Rémi (re.) leben ihren Traum: früh aufstehen und Gutes tun. Croissants zum Beispiel oder Choux à la Crème.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Neben Sandwiches gefüllt, Salat und Quiches gibt es Frühstück der französisch frugalen Art, mit frischem Brioche, salziger Butter, selbstgemachter Quittenmarmelade und Fruchtsalat.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dass Patricia Petschenig und Rémi Soulier ihre Lebenszeit damit zubringen würden, zu nachtschlafender Zeit Teig zu kneten, Brot zu backen und Cremen zu rühren, war den Absolventen des Lycée Français eher nicht vorgezeichnet. Okay, Rémis Vater, ein Franzose in Wien, hat ein frisch renoviertes, mittelalterliches Haus in der Bäckerstraße – aber deswegen gleich Bäcker werden?

Soulier hat es vorher eh mit Studieren, einer Reise ans andere Ende der Welt und anderen gutbürgerlichen Formen der Ablenkung versucht. Geholfen hat es aber nix: Am Schluss ging er doch nach Lyon ins Institut National de la Boulangerie et Pâtisserie (INBP), um Bäcker zu lernen. Von da ging es weiter an die 1920 gegründete École Ferrandi in Paris, wo man im Herzen von St. Germain des Prés die höheren Weihen der französischen Gastronomiekunst empfängt. "Ich hab' mir nix vorstellen können, das mir annähernd so viel Freude macht", sagt er trocken. Über die Ferrandi lernte er auch seine Liebe Patricia Petschenig kennen, ebenso aus Wien, ebenso Ex-Lycée, ebenfalls backnarrisch, nur sieben Jahre jünger.

Elaborierte Herrlichkeit

Sie ist in der Parémi getauften Bäckerei für die Pâtisserie zuständig, Rémi hat das Brot, die Croissants und Pains au Chocolat über. Nebenbei werden Sandwiches gefüllt, Salat mit gegrilltem Chèvre serviert, verboten gute Quiches (Ziegenkäse & Paradeiserconfit!) gebacken und Frühstück der französisch frugalen Art, mit frischem Brioche, salziger Butter, selbstgemachter Quittenmarmelade (leider wahnsinnig gut) und Fruchtsalat (derzeit aus Granatapfel, Passionsfrucht, Mandarine und Mango, hui), aufgetischt.

Der Kaffee kommt aus einer Marzocco, ist von Prem Frischkaffee und dürfte wohl das Beste an Espresso sein, was in Wien geröstet wird. Ist ein stimmungsvoller Ort geworden, mit großen Fensterflächen zur Backstube, mit frühgotischem Gewölbe, Natursteinmauern aus dem 13. Jahrhundert und einer Budel aus Laaser Marmor, weiß und massiv, auf der die Preziosen aus der Pâtisserie nur so funkeln.

Die Choux à la Crème au Praliné etwa, unverschämt luftige Brandteigkrapferln mit einer Creme, die mit Krokant aus gerösteten Haselnüssen parfümiert ist, sind bei aller Finesse der Komposition von solch wollüstiger Geilheit, dass brave Katholiken hinterher wohl zur Beichte müssen. Macarons aus Passionsfrucht und Valrhona-Milchschokolade hängen alles ab, was es in der Stadt an ähnlichen Windbeuteln gibt, so explosiv und doch subtil, wie sich diese göttlichen Aromen zueinander fügen. Aber auch die anderen Gemeinheiten, ob mit Schokolade oder Zitronencreme (oder mit beidem), ob mit Salzkaramell oder Himbeere, sind von einer elaborierten Herrlichkeit, wie man sie auch an den besseren Adressen von Paris nicht besser erwarten darf.

Von Croissants träumen

Brot und Gebäck halten das Niveau: Weizensauerteigbrot, großporig, hat eine Kruste, die auch am Tag danach noch kracht. Baguette aus französischem (und ergo glutenarmem) Mehl reiht sich vom Start weg an die Spitze des lokalen Angebots – als Sandwich, mit Saucisson sec und Cornichons oder, noch besser, mit reifem Brie de Meaux und Ofentomaten, sind sie ein Imbiss von Graden.

Ist aber alles nix gegen die Croissants aus unvergleichlich ziehigem, luftigem, abartig buttrigem Teig. Die gehören nämlich zum Tollsten, was auf dem Gebiet überhaupt möglich ist. Bleibt nur zu hoffen, dass die Schaffenskraft der beiden irgendwann mit dem reißenden Absatz ihrer Köstlichkeiten Schritt halten kann. Derzeit sind sie regelmäßig ausverkauft. Und zwar schon am Nachmittag. (Severin Corti, RONDO, 7.12.2017)

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